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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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hin, als das dumpfe Geräusch von mehreren Reittieren an ihr Ohr drang. Vorsichtig reckte sie ihren Hals in die Richtung, gerade noch rechtzeitig, um die mit weißen Stoffbahnen umwickelten Köpfe mehrerer Heiden zu erkennen. So flink wie möglich kroch sie unter einen nahen Busch. Noch hatte man sie nicht entdeckt, oder waren die Reiter ausgesandt worden, nachdem man sie von den Mauern der Stadt aus gesehen hatte? Die Kamele kamen näher, und Ursula musste daran denken, wie sie das erste Mal in ihrem Leben solch ein Tier erblickt hatte. Sie war damals enorm erschrocken, und noch heute waren ihr diese Tiere alles andere als geheuer. Sie konnte sich nicht helfen, aber für sie waren dies die hässlichsten Tiere, die sie kannte. Der unförmige Körper mit dem Buckel und den langen dürren Beinen, der krumme lange Hals, und dann das Maul mit den überlappenden Lippen und den großen gelben Zähnen. Außerdem, fand sie, stanken Kamele, und ihr röhrender Ruf klang schrecklich. Schon konnte sie das „Hathathat“ hören, mit dem die Heiden ihre Tiere antrieben. Noch tiefer duckte sie sich in die Mulde unter dem Busch und wagte kaum aufzusehen. Eine schwangere Christin, das wäre für die Reiter sicherlich ein großes Vergnügen und eine willkommene Abwechslung. Zumindest aber ausreichend Gelegenheit, aufgestaute Wut und Hass loszuwerden. Heiligste Maria, Mutter Gottes, mach mich unsichtbar! Ursula spürte, wie sie zu zittern begann und ihr gleichzeitig Schweiß aus allen Poren ihres Körpers trat. Doch sie hatte Glück, die Reiter kamen nicht näher, sondern lenkten ihre Tiere weiter in Richtung Stadt. Aufatmend blieb Ursula dennoch eine ganze Weile liegen, bis sie sich absolut sicher war, dass niemand in ihrer Nähe war. Dann kroch sie unter dem Busch hervor, stand vorsichtig in Richtung Stadt spähend auf und klopfte sich den Staub vom Kleid. Nach einem Schluck Wasser nahm sie ihre Suche wieder auf und entschloss sich auch, ein Stückchen in Richtung Stadt zu wandern, da ihr die sanften Hügel in dieser Richtung grüner schienen. Sie wollte sich, sobald sie dieses Grün erreicht hatte, wieder auf das eigene Lager zubewegen. Nach einiger Zeit merkte sie allerdings, dass sie sich in der Entfernung arg getäuscht hatte. Das Gehen fiel ihr immer schwerer, und immer wieder musste sie stehenbleiben und nach Luft schnappen, da sich die ziehenden Schmerzen in ihrem Rücken wieder eingestellt hatten. Als sie endlich den grünen Streifen am Fuße einer Hügelkette erreichte, die sich bis hin zum Heerlager zu erstrecken schien, hatte die Sonne längst ihren Zenit überschritten, und die Schatten begannen wieder länger zu werden. Mit Genugtuung stellte sie jedoch fest, dass hier wirklich mehr Kraut wuchs als sonst in der Gegend. Sogleich machte sie sich an ihr Werk, spähte nach bekannten Blattformen, prüfte Pflanzen, roch an Blättern und wurde immer wieder fündig. Versunken in die Konzentration ihrer liebsten Tätigkeit bewegte sie sich langsam fort, von Pflanze zu Pflanze, von Geruch zu Geruch. Wie einst zusammen mit Ester spielte sie ihr Spiel, und trotz all der Anstrengung huschte hin und wieder ein Lächeln über ihr Gesicht. Doch dann zog ihr ein heftiger Schmerz beinahe die Füße unterm Leib weg. Sie ließ sich aufstöhnend nach vorne fallen und harrte so aus, bis der Schmerz verebbte. Sie musste zum Lager zurück. Um sich zu orientieren, richtete sie sich auf und erschrak fast zu Tode. Im Schutz der Hügelkette, die meiste Zeit leicht gebückt mit dem Blick auf dem Boden, hatte sie nicht gemerkt, dass ihre Richtung schon lange nicht mehr ihr eigenes Lager zum Ziel hatte, sondern sie fast direkt unter die Mauern der Stadt gebracht hatten. Geduckt wollte sie schnell das Weite suchen, doch da sirrte schon ein erster Pfeil in ihre Richtung. Zum Glück schien sie noch außer Reichweite der Schützen zu sein, doch sie war entdeckt, und der nächste Bogen könnte vielleicht einen Pfeil doch weiter schleudern als der des ersten Schützen. Erneut übermannte sie der Schmerz, und sie schaffte es gerade noch hinter einen Felsen, wo ihr endgültig die Luft wegblieb. Verzweifelt sah sie sich nach Luft schnappend auf der Suche nach weiterer Deckung um. Sie konnte allerdings noch nicht weiter. Ihr Bauch spannte sich prall über ihrem Kind, und der Schmerz lähmte sie. Mit dem Rücken an den Felsen gelehnt trank sie aus ihrem Schlauch und versuchte sich zu beruhigen. Schließlich traute sie sich auf allen Vieren weiterzukriechen.

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