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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Vorsichtig blickte sie über ihre Schulter, ob man sie sehen konnte. Solange sie dicht unter den Hügeln blieb, konnte sie den oberen Rand der Mauer nicht sehen, also auch von dort aus nicht entdeckt werden. Doch so kam sie nicht von den Mauern weg. Ihr blieb aber nichts anderes übrig, und in der Hoffnung, weitere Deckung zu finden, die es ihr ermöglichen würde, von der Bedrohung weiter wegzukommen, schlich sie vorsichtig weiter. Die nächste Wehe kam und raubte ihr beinahe die Sinne. Sie schaffte es gerade noch zwischen zwei Felsen, in deren Schatten sie zusammenbrach. Langsam machte sich doch Panik in ihr breit. Sie musste zurück in das Lager, zu Hilde und in ihr Zelt. Ihr Herz schlug schnell, und es fiel ihr sehr schwer, ihre Atmung zu beruhigen. Schon spürte sie den Schmerz erneut aufflammen. Sie musste hier weg. Als der Schmerz wieder verebbte, nahm sie all ihre Willenskraft zusammen, richtete sich ein wenig auf, erblickte eine weitere Felsgruppe und machte diese zu ihrem nächsten Ziel. Vorsichtig auf die Felsen gestützt zog sie die Beine an und kam auf die Füße. Sie musste laufen, krabbelnd würde sie das Lager nie erreichen. Sich gegen die Angst stemmend sprang sie schließlich auf und eilte so schnell los, wie es ihr möglich war. Bei der neuen Deckung ließ sie sich auf den Boden fallen und schrie auf. Sie hatte sich gestoßen, und ihre steinharte Bauchdecke schien platzen zu wollen. Außer Atem vom Rennen und dem Schmerz gönnte ihr das Kind allerdings keine Pause, und eine erneute heftige Wehe ließ sie die Zähne fest zusammenbeißen, dass es knirschte. Ihr wurde schwarz vor Augen.

Auf dem Hof des Bauern Matthes,
Winter 1094/1095
    Im Stockdunkel der Kammer brauchte sie eine kleine Weile, um aus der Welt ihrer Träume zurück in die Wirklichkeit zu gelangen, doch ihr starker Harndrang unterstützte sie dabei. Es half alles nichts, sie musste raus. Ute schnarchte sanft, und Ursula versuchte so geräuschlos wie möglich aufzustehen. Sie schlang sich ihre Wolldecke um die Schulter und schlich aus der Kammer. In der Stube wiesen ihr die dunkelroten Reste der Glut im Herdfeuer die Richtung. Der kalte Rauch vermischte sich in der Nacht mit den Ausdünstungen von Mensch und Tier. Es zog an allen Ecken und Enden, aber einen ordentlichen Luftaustausch verhinderten die sorgfältig verstopften und verhangenen Fenster. Langsam tastete Ursula sich durch den Raum bis zur Tür. Bevor sie nach draußen schlüpfte, zog sie die Decke noch einmal fester um ihren Leib. Es war eine wolkenlose Nacht. Der Mond erhellte den Platz vorm Haupthaus, und Ursulas Schritte wurden sicherer und schneller. Am Eck neben der Scheune, wo die Erde leicht abfiel, hockte sie sich rasch hin und gab dem Drängen ihrer Blase nach. Die klare Nacht hatte die Temperatur weiter fallen lassen, und Ursula konnte unter sich Dampf aufsteigen sehen. Fröstelnd erhob sie sich und wollte ins Haus zurückeilen, als sie jemand am Handgelenk packte und in den Schatten der Scheunenwand zog. Ursula schrie kurz auf, aber eine Hand erstickte den Laut, bevor er irgend jemanden wecken konnte.
    „Komm!“, vernahm sie Ludgers Stimme, und schon zog er sie mit sich in den Schober. Im Halbdunkel zwischen dem duftenden Heu ließ er sie los.
    „Ludger, verdammt, was soll das!“, fauchte Ursula den Jungbauern an. „Mir ist kalt, lass mich gehen.“
    „Nein, warte! Hier, das habe ich für dich geschnitzt.“ Er drückte ihr etwas in die Hand.
    „Was ist das?“
    „Ein kleiner Bär. Du heißt doch Ursula.“
    „Danke.“ Ursula freute sich, war sich aber unsicher.
    „Bist du böse auf mich?“ Die Frage traf Ursula völlig unvorbereitet. Seit dem Vorfall auf der Lichtung war sie Ludger ausgewichen, hatte selbst seinen Blick gemieden. Er hatte etwas von ihr genommen, was sie zu geben nicht bereit gewesen war, und sie fühlte sich betrogen und beraubt zugleich. Auch wenn sie gemerkt hatte, dass er ihr gegenüber die letzten Wochen hindurch freundlicher gewesen war als sonst und ihr nur leichte Arbeit befohlen hatte. Ihren Groll und die Angst vor ihm hatte er jedoch nicht völlig beschwichtigen können.
    „Ja“, antwortete sie und wollte, dass ihre Stimme dabei fest und entschlossen klang, doch das Klappern ihrer Zähne schloss eine Festigkeit der Stimme aus. „Es war nicht recht“, fügte sie noch hinzu.
    „Aber ich wollte dich so sehr. Und ich dachte, du willst auch.“
    „Nein, wollte ich nicht. Du hättest fragen sollen.“
    „Ein Bauer fragt keine

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