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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Schuld. Du warst gut zu deiner Tochter, und du kannst für ihren Tod genauso wenig wie für den Tod deiner Eltern und den der alten Bäuerin. Du bleibst hier. Hast du verstanden?“
    Hilde trat auf Ursula zu und nahm ihr die Tasche weg. Ursula sackte zusammen und fiel Hilde um den Hals. Bitterlich fing sie an zu schluchzen und zu weinen, und Hilde konnte nichts tun, als sie zu halten. Doch es war genau diese Umarmung, die Ursula unermesslichen Trost spendete. Seit dem Tod ihrer Mutter hatten sich der Körper und die Seele der jungen Frau nach dieser Umarmung, der Nähe und dem Trost, nach Geborgenheit und Liebe gesehnt. Nun, in ihrem tiefsten Unglück, spürte sie die ehrliche Liebe und Sorge, die Hilde ihr entgegenbrachte. Eine kleine Flamme Hoffnung und Lebenswille glommen in ihr auf, aber der Schmerz überwog nach wie vor.
    In den folgenden Tagen begann Ursula, wieder mehr am Leben im Haus teilzunehmen. Sie sprach nicht viel und verrichtete ihre Aufgaben mit großer Sorgfalt. Hilde beobachtete sie aufmerksam, aus Angst, Ursula könnte wieder einen Zusammenbruch haben oder auf neue dumme Gedanken kommen. Aber nichts dergleichen geschah. Ursula war wortkarg, und ihr Gesicht hatte allem Anschein nach härtere Züge bekommen. Nach zwei, drei Tagen nahm Ursula tägliche Gänge durch die Stadt auf. Zuerst ließ Hilde sie alleine gehen, aber nach ein paar Tagen ging sie, von Sorge und Neugierde getrieben, hinter Ursula her. Die junge Frau lief scheinbar planlos durch die Gassen der Stadt, doch dann führte sie ihr Weg schnurstracks in eine der Kirchen. Hilde folgte ihr und sah Ursula in einem Eck des Kirchenraumes auf dem Boden kauern. Im Chor erklang der Psalmgesang der Mönche, und Ursula kniete, hörte und schlug sich zum Zeichen ihrer Sündigkeit vor die Brust.
    Hilde wusste nicht, was sie davon halten sollte. Fand Ursula hier Trost? Wenn es dem Mädchen half, war es sicherlich nicht falsch. Mit diesen Gedanken verließ Hilde das Gotteshaus und ließ Ursula von da an gehen, wohin sie wollte.
    Als sie diesen Abend beim Abendbrot saßen, klopfte es kräftig an die Tür. Hilde stand auf und öffnete. Ein Mann kam herein und setzte sich gleich zu den Frauen an den Tisch. Er erzählte, dass sich vor der Stadt, auf der anderen Seite des Flusses, viele Menschen eingefunden hätten. Es seien Fremde, die aus dem Westen kämen, und die sich, so hätte er jedenfalls gehört, auf einer Pilgerfahrt befänden. Während er das alles erzählte, konnte er seine Augen nicht von Ursula lassen.
    Die Pilger lagerten am Ufer und warteten auf ihre Führer, einen Ritter und einen Einsiedler, dem der Engel Gabriel erschienen sei und einen himmlischen Brief übergeben habe.
    „Aber wie ich sehe, sitzt ein Engel hier in diesem Haus“, schmeichelte er Ursula und legte ihr seine Hand auf den Unterarm. Hilde wollte gleich etwas sagen, aber ein Blick Ursulas gab ihr zu verstehen, es sei schon in Ordnung.
    „Ich habe schon manch einen aus der Stadt von deiner Schönheit schwärmen hören“, sagte er und streichelte Ursulas Arm auf und ab. „Willst du mir nicht ein wenig zu Gefallen sein? Ich zahle gut.“
    Ursula stand auf. „Komm“, forderte sie den Mann auf und zog ihn hinter sich her zu ihrem Lager. Hilde und Adele sahen sich verdutzt an. Ursula legte sich auf den Rücken und hob ihren Rock. Der Mann war schon bereit, entledigte sich seiner Beinkleider und legte sich auf sie. Es dauerte nicht lange. Ursula hob sich dem Mann entgegen, aber mehr als ein Schnaufen war von ihr nicht zu hören. Der Mann wurde dafür um so lauter. Als er fertig war, erhob er sich, tätschelte Ursula die Wange und zog sich wieder an. „Das war gut“, sagte er noch, ging nach vorne, gab Hilde einige Münzen und verschwand. Ursula stand auf, wischte sich sauber und gesellte sich wieder an den Tisch.
    „Was war denn das?“, fragte Hilde verwundert.
    Ursula zuckte mit den Schultern, und mit gleichgültiger Stimme erwiderte sie: „Er hat mir gefallen. Ich möchte ab jetzt auch zu unserem Haushalt beitragen.“
    „Ursula, du weißt, dass du das nicht musst.“ Hilde war sich nicht sicher, was sie von Ursulas Wandlung halten sollte.
    „Ich weiß“, sagte Ursula daraufhin noch immer mit unbewegter Stimme. „Ich nehme auch nicht jeden.“
    Damit gab sich Hilde zufrieden. Ein paar Heller mehr konnten ihrem Haushalt nicht schaden, und sie wusste, dass einige Männer der Nachbarschaft schon lange auf diese Gelegenheit warteten, der jungen Magd mehr als nahe zu

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