Die Kreuzfahrerin
Völker in meinen Tempeln verrichten.
Hört, ihr Christen von Regensburg, Papst Urban sichert einem jeden, der das Kreuz nimmt und sich der Pilgerfahrt ins Heilige Land anschließt, die Vergebung all seiner Sünden zu. Ein jeder, der sich auf diesen Weg begibt, und auch alle, die auf diesem Weg im Streit für Gott umkommen, gehen direkt ein in das Himmelreich. Ich selbst habe bereits einmal die Pilgerschaft angetreten, doch der Engel des Herrn rief mich zurück. Peter, Peter, rief er mir zu. Was ziehst du alleine und nimmst niemanden mit?
Ich folgte dem Ruf und bekam diesen Brief Gottes überbracht. Mit ihm war ich beim Papst in Clermont, und er gab uns allen seinen Segen. Alle, die mit mir ziehen, Jerusalem und das Grab unseres Herrn Jesus Christus zu befreien, handeln nach Gottes Willen. Macht euch alle auf den Weg. Gott will es!“ Hier wurde die Stimme des Einsiedlers lauter und klang Ursula in den Ohren wie eine große Glocke. „Gott will es!“, rief der Mann erneut, und schon jubelten die Menschen ihm alle zu und nahmen den Ruf auf. „GOTT WILL ES!“, brüllten auf einmal tausende Kehlen. Ursula selbst rief mit und spürte, wie auch sie von der Begeisterung aller ergriffen wurde.
Der Graf hob die Hand, und die Menge verstummte.
„Nehmt das Kreuz auf euch. Zum äußeren Zeichen heftet euch das Kreuz auf euer Gewand, es ist das Zeichen des Gelübdes für den Weg nach Jerusalem. Alle, die das Kreuz nehmen, werden das Heil schauen, wer verzagt und umkehrt, sei verdammt. Wer aber weitergeht, bis getan ist, was getan werden muss, der darf auch nehmen, was ihm auf dem Weg zufällt. Der Weg ist lang und schwer. Nehmt Vorräte mit und wappnet euch. Lasst alles zurück, denn dort, wo ihr hingeht, wird euch gegeben werden. Fremde Völker aus dem Osten haben die heiligen Stätten geschändet. Sie verehren einen fremden Gott und verbreiten ihre Lehren überall dort. Macht euch auf den Weg und wendet euch gegen diese Feinde der Kirche. Deus lo vult!“, rief auch er.
Und die Menge antwortete ihm begeistert „Deus lo vult!“
Der Einsiedler hob erneut seine Arme, und als Stille einkehrte, sprang ein Mann mit einem sichtbaren roten Kreuz auf seinem Wams auf den Brunnen und rief: „Seht, wir sind auf dem langen Weg nach Jerusalem, um uns an den fremden Völkern zu rächen, die unsere Heiligen Orte schänden, aber wir kehren unserem eigenen Land den Rücken zu, obwohl doch mitten unter uns Juden leben. Wir wollen die Feinde Gottes in einem fernen Land bekämpfen, wo hier unter unseren Augen doch das gottesfeindlichste Volk aller ist, die Nachkommenschaft jener, die Gott an das Kreuz schlugen. Nehmt das Kreuz! Macht euch auf den Weg! Doch beginnt mit den heilbringenden Taten hier und sogleich. Alle, die sich nicht taufen lassen, sind Feinde Gottes!“
Ein Aufruhr ging durch die Menge. Viele nickten zu der Rede, und wieder ertönte der Ruf „Deus lo vult!“ Ursula lief ein Schauer über den Rücken, als ein Schrei durch all das Gebrüll der Menschen drang. Einige hatten sich einen durch seine Kleider erkennbaren Juden geschnappt. Sie zogen ihn an seinem Bart durch die Menge, schlugen und traten ihn. Der Mann stürzte, und die Menge war sogleich über ihm. Dann reckten sich blutige Hände zum Himmel. „Deus lo vult!“, brüllte die Menge und geriet unversehens in Bewegung. Ursula presste sich zwischen Leibern hindurch und gelangte schließlich an eine Hausmauer. In alle Richtungen stürmte die Menge auseinander. „Zu den Juden!“, brüllte ein Vorbeilaufender. „Holt die Juden!“, riefen andere.
Ursula drückte sich an der Hauswand entlang bis zur Gasse und verließ dann so schnell sie konnte den Marktplatz. Schon hörte sie Schreie um Hilfe und Gnade. Sie lief durch die Gasse, wusste aber auf einmal nicht, welche Richtung sie nehmen musste. Sie wollte nach Hause, doch wo war das? Sie bog in die nächste Gasse. Vor ihr wurden Schreie laut, sie drehte um und flüchtete in eine andere Richtung. Überall waren Schreie und Rufe zu hören. Sie gelangte auf einen kleinen Hof zwischen einigen Häusern. Aus einem Haus kam ein Mann mit einem Schwert in der Hand. Er zog eine Frau an ihren Haaren hinter sich her. Die Frau schrie und drückte ängstlich ein Bündel an ihre Brust. Der Mann gab ihr einen Stoß, und sie fiel hin. „Nein, nein!“, schrie sie schrill. „Lass mich, ich habe nichts getan.“ Der Mann hieb ihr mit der Faust ins Gesicht. „Ihr habt den Herrn gemordet. Lass dich taufen oder du
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