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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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stirbst.“
    „Nein!“, brüllte die Frau. „Hilfe! Hilfe! Solomon, mein Mann! Hilf mir!“
    Der Mann riss die Frau herum und schlug sie erneut ins Gesicht. Dann griff er nach dem Bündel. „Nein, nein!“ Noch schriller und lauter schrie die Frau. „Lass mein Kind! Es hat nichts getan.“ Der Mann hielt den Säugling an einem Arm in die Höhe, auch das Kind schrie. Die Frau warf sich dem Mann zu Füßen, umarmte sein Bein. „Bitte, bitte, lass das Kind!“, schluchzte sie. „Lasst euch taufen oder …“ Er hob sein Schwert. „Nein, nein!“, brüllte die Frau. „Solomon! Solomon, wo bist du, hilf uns!“
    Ein Tritt warf die Frau auf den Rücken. Ihr Peiniger schritt derweil mit dem Kind, das er jetzt an beiden Füßen hielt, über den Platz. Die Arme des schreienden Bündels schleiften über die Erde. Die Frau lief ihm nach, zerrte an seinem Arm und bekam erneut einen Schlag, so dass sie hinfiel. Mit einem Mal holte der Mann aus und schlug das Kind auf die Stufen des nächsten Hauses. Ursula hörte das Geräusch von berstenden Knochen, und die Schreie von Mutter und Kind drangen ihr durch Mark und Bein. Noch einmal schmetterte der Mann den kleinen Körper auf die Stufen. Dann ließ er ihn verächtlich fallen. Die Frau wollte sich auf ihr Kind stürzen. Sie brüllte nur noch unartikulierte Laute. Als sie bei dem blutigen Bündel angekommen war, versetzte ihr der Mann einen Hieb mit dem Schwert. An der Schulter der Frau klaffte eine große Wunde. Von der Wucht des Schlages getroffen, taumelte sie, und das Schwert traf sie erneut am Hals. Blut spritzte hervor, und die Frau fiel zuckend zu Boden. „Was hast du getan!“ Ein Mann kam um die Ecke gestürmt und wollte sich auf den Fremden stürzen. „Mein Weib, was hast du mit meinem Weib getan?“, rief er.
    Ohne Hast drehte sich der Angesprochene um und hob kaum merklich das Schwert, und Solomon rannte direkt in die Klinge. Mit Kraft stieß der Mann die Klinge nach, und sie trat aus dem Rücken des Juden wieder hervor. Dieser gab nur noch ein Röcheln von sich. Mit Hilfe seines Fußes zog der blutrünstige Pilger seine Waffe aus Solomons Körper. Ursula stand da und konnte sich vor Entsetzen nicht von der Stelle rühren. Jetzt kam der Mann auf sie zu. Ein grausames Grinsen lag auf seinem Gesicht. Ursula bekreuzigte sich. Das Grinsen wich sichtlicher Enttäuschung. Der Kerl drehte sich um und stürmte in die nächstbeste Gasse. Jetzt erst wich die Schreckensstarre von Ursula, und sie wurde wieder Herr ihrer Füße. Sie lief zurück und versuchte sich zu orientieren. Überall waren Schreie und kamen Menschen gelaufen. In Gruppen, Waffen und Knüppel schwingend, einzelne Frauen und Männer mit ängstlichen Gesichtern auf der Flucht. Ursula fand eine Gasse, die ihr vertraut war, und lief weiter.
    Je näher sie Hildes Haus kam, desto lauter wurden auch da schreckliche Schreie, und das Stück Himmel zwischen den Häusern verdunkelte sich durch Rauch. Als Ursula um die Ecke bog, blieb ihr beinahe das Herz stehen. Das Haus des Nachbarn Levi stand in Flammen. Schon hatten einige Nachbarn angefangen, mit Wassereimern das Feuer zu bekämpfen. Es waren viele Leute auf den Platz. Dann sah Ursula Hilde, wie sie beladen mit Sachen aus ihrem Haus gerannt kam. Hilde erblickte Ursula. „Ursula, schnell, komm! Wir müssen rausschaffen, was zu retten ist, bevor die Flammen übergreifen.“ Ursula verstand und stürmte mit Hilde ins Haus. Sie packte ihre Tasche und was sie sonst noch greifen konnte. Die Tasche war ihr am wichtigsten. In ihr befand sich alles, was sie besaß. Sie griff sich die Kleider, die an der Wand hingen, und die Decken von den Lagern. Dann rannte sie wieder auf den Platz. Schon füllte unheilvoller Rauch den Raum. Hilde und sie zerrten die Bänke und den Tisch nach draußen. Dann Geschirr und die Strohsäcke, alles, was brennen könnte, und alles, was irgendwie wert erschien, gerettet zu werden. Ursula wollte erneut hineinlaufen, doch kräftige Hände hielten sie zurück. „Nein, du kannst nicht mehr rein“, rief ihr ein Mann ins Ohr, „schau doch, das Dach brennt bereits.“
    Verzweifelt sah Ursula sich nach Hilde um. Die saß auf dem Haufen geretteter Sachen und schaute resigniert auf die Flammen. Ursula trat zu ihr und sah, dass Hilde weinte. Als das Dach einstürzte und das Gebälk des Nachbarhauses auf die Gasse zu stürzen drohte, zogen sich die Leute zurück und schütteten das Wasser lieber auf die anderen Häuser als in die Flammen. Gleichzeitig

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