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Die Kreuzweg-Legende

Die Kreuzweg-Legende

Titel: Die Kreuzweg-Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nur.
    »Okay«, erwiderte ich. »Sie haben recht gehabt. Mit der Madonna stimmte einiges nicht…«
    Ich berichtete, wie die Figur vor meinen Augen explodiert und dann zerfallen war. Bei jedem weiteren Wort, das ich sagte, geriet der Botschaftsangehörige mehr ins Schwitzen. Schließlich holte er ein Taschentuch hervor und tupfte sich das Gesicht ab.
    »Ich ahnte es!« flüsterte er, »verdammt, ich ahnte es…«
    »Was ahnten Sie?«
    Eine direkte Antwort bekam ich nicht darauf. Vielleicht war das auch Diplomatenart. Er fragte links um die Ecke herum: »Sind Sie bereit, den Fall zu übernehmen?«
    Ich lächelte. »Ja, er interessiert mich.«
    »Dann müßten Sie England verlassen und nach Polen fliegen.«
    Diesmal grinste ich schief. »In den Ostblock?«
    »Haben Sie nicht schon gegen Zombies gekämpft, die im fernen Rußland ein Atomkraftwerk besetzten?« [1]
    Ich wunderte mich. »Sie sind gut informiert.«
    »Ja, ein Freund namens Wladimir Golenkow sprach über Sie, Mr. Sinclair.«
    Klar, ich hätte wissen müssen, daß der Zug aus dieser Richtung fuhr. In Polen hatte ich bisher noch nichts zu tun gehabt. Zudem interessierte mich das Land. Nur würde ich davon kaum etwas zu sehen bekommen, wenn ich die Lage realistisch einschätzte. »Wenn Sie mir garantieren, daß ich ungestört arbeiten kann, bin ich dabei«, erklärte ich ihm.
    »Das werden Sie können. Ich verbürge mich dafür.«
    »Hoffentlich auch Ihre Partei.«
    »Diesmal müssen wir sie aus dem Spiel lassen. Was da geschehen ist, das ist mehr, als ich vertragen kann. Eine Legende hat sich erfüllt. Die Kreuzweg-Legende.«
    »Hängt sie mit der Marienfigur zusammen?«
    »Ja.«
    »Und wieso?«
    »Das ist eine etwas längere Geschichte, die ich Ihnen erklären möchte. Die Figur stand in Südostpolen in einem kleinen Ort namens Szetisch. Dieses Dorf liegt nahe der tschechischen Grenze in den Nordausläufern der Karpaten. Die Bewohner waren stets stolz darauf, die Madonna zu besitzen, denn man schrieb dieser Figur übersinnliche Kräfte zu, was sie anscheinend auch hatte. Die Madonna war die Schutzpatronin dieses Ortes. Sie warnte vor Gefahren und soll blutige Tränen geweint haben, wenn etwas Schreckliches passierte. Und in der Gegend war Schlimmes geschehen. Vor über dreihundert Jahren trieb sich dort ein schwarzer Reiter herum, der junge Mädchen raubte und sie entjungferte. Diese Mädchen sind nie wieder aufgetaucht…«
    »Woher wußte man denn von der Entjungferung?« fragte ich zwischen.
    »Von den Personen selbst, als sie noch lebten. Sie vernahmen einen Ruf, dem sie folgen mußten. Niemand konnte sie festhalten. Sie liefen dann zu einem verfluchten Ort, dem Kreuzweg, wo eine Eiche steht, an deren Äste man Mörder und Schänder hängte. Dort trafen sie sich mit dem Reiter, wurden mitgenommen und wahrscheinlich nachher umgebracht. Vier Mädchen verschwanden aus den Dörfern, bis sich die Menschen zusammenschlossen, um dem Reiter eine Falle zu stellen. Das gelang auch. Als ein junges Ding namens Wanda verführt werden sollte, griffen die Häscher zu. Sie schössen einen Pfeil in den Körper des Reiters und hängten ihn anschließend an einem besonders starken Ast auf. Mehrere Tage wollte man ihn hängenlassen, doch Wanda ging nachts zurück und schnitt ihn ab. Am anderen Morgen wurde sie erwürgt unter dem Baum liegend aufgefunden. Der Reiter aber war spurlos verschwunden.«
    Wolstinski legte eine Sprechpause ein. Daher konnte ich eine Frage stellen. »Was hat das alles mit der Madonna zu tun, die hier in der Kirche zerstört wurde?«
    »Es ist kompliziert, aber trotzdem einfach. Die Madonna stand früher in Szetisch. Jedesmal, wenn ein Mädchen starb, quollen aus ihren Augen blutige Tränen. Die Jahrhunderte über blieb die Figur in dem Ort. Nach dem zweiten Weltkrieg haben einige Landsleute von mir ihre Heimat verlassen und sind in die Fremde gegangen. Die Madonna nahmen sie mit nach London und stellten sie in ihre Kapelle. Vor einigen Tagen dann geschah es. Sie weinte wieder blutige Tränen. Wenn die Legende stimmt, dann ist der Reiter zurückgekehrt, um Tod und Verderben zu säen. Wissen Sie nun, weshalb ich Sie bitte, uns zu helfen?«
    »Jetzt ja.« Ich lehnte mich zurück und zündete mir eine Zigarette an. Sir James und der polnische Diplomat ließen mich in Ruhe. Ebenso wie ich schauten sie dem blaugrauen Rauch nach, den ich gegen die Wagendecke blies. Mir war klar, daß man von mir jetzt eine Entscheidung erwartete. Ich wollte die beiden

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