Die Kreuzweg-Legende
anderen Passagiere stiegen aus.
Also blieben wir sitzen und atmeten weiterhin die wenig frische Luft ein. Ich schaute auf das Rollfeld. Ein Bus sammelte die Passagiere ein und brachte sie zur Zollkontrolle.
»Bin gespannt, wen sie uns geschickt haben«, meinte Suko. »Hoffentlich keinen dieser Polit-Funktionäre.«
Ich hob die Schultern. »Wir können ja wieder verschwinden, wenn uns der Knabe nicht gefällt.«
»Fragt sich nur, ob sie uns rauslassen.«
Die Spannung hielt nicht mehr lange an. Nach etwa vier Minuten betrat ein Mann die Maschine, der kurz mit der Stewardeß sprach, sich dann in den Mittelgang hineindrehte und uns entgegenkam.
Wir waren aufgestanden. Dabei merkte ich, daß der Pole noch größer war als ich. Er hatte hellblondes Haar, ein sonnenbraunes Gesicht und ein offenes Lächeln. Auf den ersten Blick war er mir sympathisch. Hoffentlich blieb das so. Auch von seiner körperlichen Konstitution konnte man nichts gegen ihn einwenden. Wenn es hart auf hart kam, würde er bestimmt seinen Mann stehen.
»Ich bin Kasimir Wojtek«, erklärte er und reichte uns die Hand. Sein Händedruck war wirklich nicht von schlechten Eltern. Auch wir stellten uns vor, und Kasimir lachte. »Klar, ich kenne euch. Wladimir Golenkow hat euch beschrieben und noch einiges mehr. Ihr habt in Rußland ja schwer aufgeräumt.«
»Es hielt sich in Grenzen«, erwiderte ich.
»Ja, immer bescheiden, ich weiß. Ihr könnt übrigens Kasimir sagen. In Polen ist das ein gebräuchlicher Name. Ihr im Westen lacht wahrscheinlich darüber.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ich war drei Jahre in London. Habe dort studiert und auch an der Botschaft gearbeitet.«
»Deshalb Ihr gutes Englisch.«
Er winkte ab. »Ich habe wieder viel verlernt. Wie geht es Wolstinski?«
»Gut.«
»Er ist ein ausgezeichneter Diplomat. Hat mich ausgebildet. Theoretisch, meine ich.«
»Dann müssen Sie auch gut sein«, meinte Suko.
Kasimir lachte nur, schlug uns auf die Schulter und fragte, ob wir bereit wären.
»Immer.«
Wenig später hatten wir das Flugzeug verlassen und waren von der Stewardeß mit einem besonderen Lächeln verabschiedet worden. Über die Gangway gingen wir nach unten und brauchten nicht in einen Bus zu steigen, denn auf uns wartete ein Wagen.
Kasimir fuhr selbst. Wir nahmen auch nicht den normalen Weg, sondern fuhren zu einem besonderen Gelände, wo unser Gepäck kontrolliert wurde. Niemand fragte uns nach Waffen, ich zeigte sie freiwillig. Was wir mit hatten, wurde notiert.
Auch der Bumerang.
Kasimir Wojtek staunte wie ein kleines Kind zu Weihnachten, als er die silberne Banane sah. »Darf ich sie mal anheben?« fragte er mich.
»Bitte.«
Er hob den Bumerang in die Höhe, wog ihn in der Handfläche, schlug ihn gegen die andere und tat so, als wollte er werfen. Ich hielt seinen Arm fest. »Lieber nicht, sonst müssen wir hier noch Schadenersatz leisten.«
Er legte ihn rasch wieder weg. »Und damit kann man Dämonen oder Geister töten?«
»Dämonen ja, Geister weiß ich nicht. Die sind ja meist feinstofflich.«
»Haben Sie schon welche gesehen?«
»Natürlich.«
Kasimir nickte. »Ich noch nicht. Deshalb bin ich ja so gespannt. Und es kann gefährlich werden?«
»Das hängt von der Situation ab«, erklärte Suko. »Aber ein Kinderspiel wird es bestimmt nicht.«
Der Pole nickte und wechselte das Thema. »Wissen Sie, daß wir einiges vor uns haben?«
»Klar.«
»Dann hoffe ich sehr, daß Sie gut geschlafen haben. Ich habe extra kein Hotelzimmer bestellt, denn wir fahren die Nacht über durch. Sie können im Wagen schlafen.«
»Und wo genau müssen wir hin?«
»An den Arsch der Welt!«
Beide mußten wir lachen, als wir diese ehrliche Antwort vernahmen. Kasimir war wirklich stark. Er nickte noch und wiederholte sich sogar.
»Das liegt alles am Ende der Welt. In der Nähe des Länderdreiecks von Polen, der Tschechoslowakei und Rußland. Wir befinden uns da in den Nordausläufern der Karpaten. Da sagen sich Hund und Katze gute Nacht. Die Zeit ist stehengeblieben. Sie kommen sich vor wie vor zweihundert Jahren.«
»Gib es dort auch die Männer mit den langen Stangen?« fragte ich.
»Welche Männer?«
»Die am Abend den Mond mit der Latte weiterschieben«, erklärte ich dem Polen.
Den Witz hatte er noch nie gehört. Er wollte sich darüber ausschütten vor Lachen. »Sie haben wenigstens Humor«, sagte er, »das finde ich sehr gut. Kommen Sie mit, unser Wagen wartet.«
»Was ist das denn für eine Marke?«
»Sie
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