Die Kreuzweg-Legende
Gentlemen auch nicht enttäuschen, deshalb antwortete ich: »Der Fall interessiert mich.«
»Dann können Sie sofort fliegen«, sagte Wolstinski.
Ich winkte ab. »Mit einer Einschränkung. Ich möchte gern meinen Partner mitnehmen.«
»Den Chinesen?«
»Richtig. Sie sind gut informiert.«
Wolstinski hob die Schultern. »Nun ja, das läßt sich machen. In Anbetracht der Lage kann ich das durchdrücken.« Er hatte noch eine weitere Frage. »Sie sprechen nicht polnisch?«
»Nein.«
»Das ist schlecht. Die Menschen in den kleinen Dörfern können natürlich auch Ihre Heimatsprache nicht. Ich müßte Ihnen beiden noch einen Begleiter mitgeben.«
»Sie meinen einen Aufpasser?«
»Ihr Denken ist typisch westlich. Ich spreche tatsächlich nur von einem Begleiter.«
Ich war damit einverstanden. Was hätte ich auch sonst machen sollen? Wenn der Mann uns nicht im Weg stand, ging das schon in Ordnung. Das sagte ich Wolstinski auch.
»Nein, da brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich werde ihn entsprechend instruieren.«
»Wir sehen uns dann im Büro, John«, sagte Sir James und machte mir damit klar, daß er dieses Gespräch für beendet hielt. Ich stieg aus. Der polnische Diplomat reichte mir noch einmal die Hand und wünschte mir viel Glück.
Dann fuhren sie ab.
Ich trat meine Zigarette aus und ging zurück in die Kirche. Der Staub lag nach wie vor auf dem Altar. Von den Blumen waren die Köpfe abgefallen. Im Grau der Holzasche wirkten sie wie matte Farbkleckse. Nein, hier würde ich keine Spur finden. Wenn ich den wahren Ursachen auf den Grund gehen wollte, mußte ich nach Polen reisen. Ich war gespannt, was Suko davon hielt.
Ich fand ihn im Büro. Zusammen mit Glenda räumte er seinen Schreibtisch auf. »Störe ich?«
Glenda schaute hoch. Ihre Wangen glänzten wie die Seiten eines Weihnachtsapfels. »Jetzt, wo alles vorbei ist, da kommst du her, wie?«
»Das ist so meine Art. Aber…« Ich hob den rechten Zeigefinger. »Wäre ich Privatdetektiv, hättet ihr eine andere Antwort von mir bekommen, meine Lieben.«
»Und welche?« fragte Suko.
»Ich war unterwegs, um Aufträge einzusammeln.«
»Dann hat es etwas mit dieser Kirche gegeben?«
»Sieht so aus.« Ich berichtete von meinen Erlebnissen.
Suko rieb sich die Hände, als ich geendet hatte. »Nach Polen wollte ich immer schon mal.«
»Wann wollt ihr fliegen?«
Glenda hatte die Frage gestellt, ich hob die Schultern, doch die Antwort wurde von Sir James gegeben, der soeben unser gemeinsames Büro betreten hatte.
»Einen genauen Zeitplan kann ich Ihnen noch nicht sagen, aber Legationsrat Wolstinski wird alles regeln und sich auch um die Flugkarten kümmern. Halten Sie sich auf jeden Fall bereit.«
»Das kann ich auch zu Hause«, sagte ich.
Sir James hatte mal wieder seinen pingeligen Tag. Er schaute auf die Uhr. »Haben wir schon Feierabend?«
»Noch nicht, Sir«, erwiderte ich wahrheitsgemäß. »Aber während der Dienstzeit einen Koffer packen zu dürfen, ist doch auch etwas Besonderes. Oder nicht?«
Glenda mußte sich ein Grinsen verbeißen, als sie sah, daß der Superintendent den Kopf schüttelte. Er wollte zu einer Antwort ansetzen, als sich das Telefon meldete.
Suko hob ab. »Für Sie, Sir«, sagte er nach einer knappen Sekunde und reichte dem Superintendenten den Hörer hinüber. »Ein gewisser Mr. Wolstinski.«
Unser Chef hörte zu. Er sagte so gut wie nichts. Erst als er sich verabschiedete und den Hörer auflegte, meinte er zu Suko und mir gewandt: »Sie können während der Dienstzeit nach Hause gehen und packen. Ihr Flug geht in knapp drei Stunden.«
»Hoch lebe Polen«, sagte ich.
Und Glenda meinte: »Noch ist Polen nicht verloren!«
»Wieso?« fragte ich.
»John Sinclair kommt.« Danach konnte sie sich das Lachen nicht mehr verbeißen.
***
Von der Schwüle in die Sonne!
So möchte ich den Flug nach Warschau bezeichnen. Wir landeten kurz vor Sonnenuntergang und sahen das Rollfeld wie in ein Meer aus gelbem Licht getaucht. Der Flug war glatt verlaufen, dennoch fühlte ich mich nicht so wohl, als wäre ich in Paris oder München ausgestiegen. Es kam daher, daß wir uns im Ostblock befanden. Immer wenn ich den Eisernen Vorhang überschritt oder überflog, bekam ich ein komisches Gefühl. So war es mir auch in Rußland ergangen. Nach einigen Stunden allerdings fühlte ich mich wieder normal.
Wir landeten glatt und sicher. Nur mußten wir noch in der Maschine warten, wie uns die freundliche lächelnde Stewardeß erklärte. Alle
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