Die Kreuzzüge
viele seiner Zeitgenossen hatte der Kampf gegen die Franken im Westen gerade einmal den Rang eines Grenzkriegs und war als solcher von nur peripherer Bedeutung.
Hinzu kommt, dass für den Atabeg, wenn er sich in die Angelegenheiten der Levante einmischte, nicht die Auslöschung der Kreuzfahrerstaaten im Vordergrund stand, sondern die Eroberung von Damaskus. Im Lauf der 1130er-Jahre, zwischen langen Phasen der Abwesenheit in Mesopotamien, versuchte Zangi wiederholt, im Sinne dieses Zieles den Einflussbereich Aleppos in Richtung Süden zu erweitern, indem er Niederlassungen in muslimischer Hand wie Hama, Homs und Baalbek angriff, die in damaszenischem Schutzgebiet lagen. Zangi zeigte in der Verfolgung seiner Ziele immer wieder eine erstaunliche Bereitschaft, Eide zu brechen, Verbündete zu verprellen und Feinde zu terrorisieren. Im Jahr 1139 wurde die antike römische Stadt Baalbek (im fruchtbaren Biga-Tal im Libanon) nach einer zermürbenden Belagerung in die Unterwerfung geprügelt; sie ergab sich auf das Versprechen hin, dass die Truppen der Stadt verschont würden. Zangi, offenbar in der Absicht, eine unmissverständliche Botschaft an sämtliche syrischen Muslime zu richten, die sich seiner Autorität zu widersetzen gedachten, hielt sich nicht an sein Versprechen und kreuzigte die Besatzung Baalbeks bis auf den letzten Mann. Um sich der anhaltenden Loyalität der Stadt zu versichern, setzte er ein aufstrebendes Mitglied seines Gefolges, den kurdischen Krieger Ajjub ibn Shadi, als Statthalter ein, einen Mann, dessen Familie im Lauf des 12. Jahrhunderts immer mehr politisches Gewicht erlangen sollte.
Während dieser Zeit stützte sich Zangi in seinem Umgang mit Damaskus selbst auf eine Mischung aus diplomatischer Intrige und offenem militärischen Druck; er hoffte, dass er die Stadt allmählich dazu bringen konnte, sich zu ergeben, oder auch, sie irgendwann einzunehmen. Sein Ziel wurde durch die chaotischen, blutigen internen Kämpfe, die gerade während der 1130er-Jahre in der Stadt wüteten, stark begünstigt. Obwohl die Buriden-Dynastie in Gestalt mehrerer schwacher Strohmänner überlebt hatte, ging die wirkliche Macht in Damaskus allmählich auf Unur über, einen turkmenischen Hauptmann, der als mamluk (Sklavensoldat) unter Tughtegin gedient hatte. Er war es also, der sich jetzt dem Schreckgespenst der Aggression Zangis zu stellen hatte. Unmittelbar nach der brutalen Einnahme von Baalbek begann Zangi im [213] Dezember des Jahres 1139 mit der Belagerung von Damaskus, die zunächst, für die folgenden sechs Monate, nur in einer losen Umzingelung und gelegentlichen Ausfällen bestand. Selbst dem Atabeg widerstrebte der Gedanke, einen konsequenten Angriff auf eine Stadt zu befehlen, die für den Islam eine so große historische Bedeutung hatte. Er hoffte, Damaskus stattdessen allmählich in die Unterwerfung zwingen zu können.
Als sich allerdings im Jahr 1140 die Schlinge zuzog, weigerte sich Unur, die Stadt zu übergeben. Statt sich Zangi zu unterwerfen, bat er eine nicht-muslimische Macht um Hilfe: Ein Gesandter reiste nach Jerusalem, um eine neue Allianz gegen Aleppo zu besiegeln. In einer Audienz bei König Fulk wurde Zangi als »grausamer Feind« dargestellt, »der für beide [für die lateinischen Einwohner Palästinas und für Damaskus] eine Gefahr darstellt«; es wurde eine großzügige monatliche Tributzahlung von 20 000 Goldstücken in Aussicht gestellt, wenn die Franken bereit waren, Damaskus beim Kampf gegen diese Bedrohung zu unterstützen. Außerdem sollte die Stadt Banyas (die von den Muslimen 1132 zurückerobert worden war) wieder an Jerusalem gehen.
Fulk ließ sich vom Wert dieses äußerst großzügigen Angebots sowie von der Notwendigkeit, den Eroberungen Zangis in Syrien einen Riegel vorzuschieben, gern überzeugen und begab sich mit einem Heer in Richtung Norden, um Damaskus zu unterstützen. Zangi erkannte, dass er unter diesen bedrohlichen Umständen mit seiner Strategie gegen die Stadt nicht weiterkam, und zog seine Truppen ab. Er kehrte nach Mosul zurück und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Situation in Mesopotamien zu. 21
Zangi gegen die Franken
In den 1130er-Jahren zeigte Zangi kaum oder gar kein Interesse am Dschihad gegen die Franken; die Angriffe gegen die Lateiner ergaben sich in dieser Periode entweder eher zufällig, oder sie hingen unmittelbar mit seinem Vorrücken in Richtung Südsyrien zusammen. Der einzige nennenswerte Angriff des Atabeg gegen Outremer ereignete sich
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