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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Heiligen Grab war nur eines von vielen Zeugnissen für die inbrünstige Verehrung, die der Stadt Jerusalem und dem Heiligen Land insgesamt entgegengebracht wurde. Für die Franken war diese ganze levantinische Welt, durch die Christus selbst geschritten war, schon für sich genommen eine verehrungswürdige Reliquie; die Luft, die Erde waren mit der numinosen Aura Gottes getränkt. Es war unvermeidlich, dass die religiösen Denkmäler, die in diesem geheiligten Land entstanden, und die Glaubensbekundungen, die an den vielen heiligen Orten gepflegt wurden, von einer ganz besonderen fiebrigen Frömmigkeit geprägt waren. Das religiöse Leben der Lateiner blieb außerdem nicht unberührt davon, dass viele Völker, die im Vorderen Orient lebten (darunter die östlichen Christen, die Muslime und die Juden), diesen Hang zu hingebungsvoller Anbetung durchaus teilten.
    Im Lauf des 12. Jahrhunderts waren die Menschen, die aus Westeuropa nach Outremer kamen, normalerweise keine Kreuzfahrer, sondern Pilger. Tausende kamen aus der lateinischen Christenheit und gingen in Hafenstädten wie Akkon an Land – gewissermaßen das menschliche Äquivalent der kostbaren Handelslast, die aus dem Osten in den Westen verschifft wurde; und es kamen auch Pilger aus anderen Gegenden der [207] Welt wie Russland und Griechenland. Einige ließen sich auf Dauer im Heiligen Land nieder und ergriffen entweder weltliche Berufe, oder sie wurden Mönche, Nonnen oder Einsiedler. An gänzlich unbesiedelten Orten wurden kaum neue kirchliche Bauten errichtet, vielmehr wurden viele vernachlässigte Stätten wiederbelebt (so der Benediktinerkonvent der heiligen Anna in Jerusalem); und lateinische Klöster, die bereits vor den Kreuzzügen existiert hatten, wie etwa Notre Dame de Josaphat (unmittelbar vor den Mauern der Heiligen Stadt), wurden immer beliebter und intensiv gefördert.
    Auch Frömmigkeitsbräuche brachten die zugewanderten Franken in Kontakt mit den ursprünglichen Bewohnern der Levante. Einige Lateiner bemühten sich, Gott näher zu kommen, indem sie ein asketisches, abgeschiedenes Leben in der Wildnis führten, wie etwa am Berg Karmel (in der Nähe von Haifa) und am Schwarzen Berg (bei Antiochia), hier in lose verbundenen Gemeinschaften mit griechisch-orthodoxen Einsiedlern. Eines der bemerkenswertesten Beispiele für religiöse Berührungspunkte war das Liebfrauenkloster in Saidnaya (ungefähr 20 Kilometer nördlich von Damaskus). Dieser griechisch-orthodoxe Glaubensort, tief in muslimischem Gebiet, besaß eine »wundertätige« Marienikone, die sich aus einem Gemälde in eine Gestalt aus Fleisch und Blut verwandelte. Es hieß, dass aus den Brüsten der Ikone Öl floss, und diese Flüssigkeit soll eine unglaubliche Heilkraft besessen haben. Saidnaya war ein bekannter Pilgerort, aufgesucht sowohl von orthodoxen Christen als auch von Muslimen (die Maria als die Mutter des Propheten Jesus verehren). Von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an kamen auch lateinische Pilger; einige nahmen Phiolen mit dem wundertätigen Öl der Jungfrau mit zurück nach Europa. Das Heiligtum sollte sich dann bei den Tempelrittern besonderer Beliebtheit erfreuen.
    Ähnlich wie den Franken erlaubt wurde, durch muslimische Landstriche zu ziehen, um nach Saidnaya zu gelangen, durften auch muslimische Pilger in Einzelfällen heilige Stätten in Outremer aufsuchen. Bald nach 1140 erhielten Unur von Damaskus und Usama ibn Munqidh die Erlaubnis, den Felsendom in Jerusalem zu besuchen. Ungefähr zur selben Zeit reiste Usama außerdem in die fränkische Stadt Sebaste (in der Nähe von Nablus), um die Krypta Johannes’ des Täufers zu besuchen; wie bereits erwähnt, berichtet er auch, häufig Reisen zur al-Aqsa-Moschee unternommen zu haben. In den frühen 1180er-Jahren machte [208] der muslimische Gelehrte Ali al-Harawi eine ausgedehnte Reise zu heiligen Stätten des Islams im Königreich Jerusalem, später verfasste er einen Pilgerführer durch diese Gegend in arabischer Sprache. Auf der Grundlage dieser wenigen, möglicherweise isolierten Berichte ist es allerdings ausgeschlossen, das tatsächliche Ausmaß des muslimischen Pilgerverkehrs festzustellen.
    Trotz dieser diversen Formen von Kontakt, der im Zusammenhang mit religiösen Gebräuchen entstand, war die zugrundeliegende religiöse Atmosphäre doch nach wie vor durch deutlich erkennbare Intoleranz geprägt. Fränkische und muslimische Autoren hörten nicht auf, den Glauben des jeweils Anderen schlecht zu machen,

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