Die Kreuzzüge
im Juli 1137, als er die Festung Barin (im Westen der Stadt Hama und des Orontes) einnahm. Doch selbst dieser Feldzug darf nicht falsch verstanden werden: Zangis eigentliche Absicht bestand darin, Barin als Stützpunkt für seinen Angriff auf das muslimische Homs zu nutzen. Sein [214] oberstes Ziel war die Expansion in Richtung Süden und nicht ein tödlicher Schlag gegen die Kreuzfahrerstaaten.
Nach 1140 kümmerte er sich überwiegend um Vorgänge östlich des Euphrats: Er bemühte sich, seinen Einflussbereich im Irak auszudehnen und seine Beziehungen zum seldschukischen Sultan von Bagdad zu vertiefen. Seit 1143 ging es ihm vor allem um die Unterwerfung der artuqidischen Fürsten und der kleineren kurdischen Kriegsherren im Norden, in Diyar Bakr. Angesichts dieser Bedrohung schloss ein Artuqide, Qara Arslan von Hisn Kaifa, einen Pakt mit Joscelin II. von Edessa (der 1131 seinem Vater nachgefolgt war); er bot ihm als Gegenleistung für seine Unterstützung Gebietsabtretungen an. Im Herbst 1144 machte sich Joscelin demzufolge im guten Glauben, seine Grafschaft sei nicht bedroht, mit einem großen Heer aus Edessa zu Qara Arslan auf. Dieser Aufbruch, der auf einer groben Fehleinschätzung von Zangis Absichten und Fähigkeiten beruhte, sollte gravierende Folgen für die Geschichte von Outremer haben.
Kurz nach dem Aufbruch des Grafen wurden die wenigen Streitkräfte, die in Edessa zusammen mit dem lateinischen Erzbischof zurückgeblieben waren, durch das Auftauchen Zangis vor ihren Mauern überrascht. Der Atabeg hatte ein bewährtes Kundschaftersystem, das immer auf dem neuesten Stand war und für das er gern ein kleines Vermögen ausgab, um dadurch ständig ein ausgedehntes Netzwerk aus Spionen und Spähern im gesamten Orient zu unterhalten. Er erfuhr daher sofort, dass Joscelin aufgebrochen und Edessa nicht mehr verteidigungsfähig war. Zangi witterte eine seltene und wohl auch unerwartete Gelegenheit und gab daher sein ursprüngliches Ziel Diyar Bakr auf, um sich auf die fränkische Hauptstadt zu konzentrieren. Seine Kriegstruppe, die bereits alles Nötige für eine Belagerung mit sich führte, erreichte die Stadt in schnellem Marsch im späten November und begann sofort mit einer zermürbenden Belagerung. In den nächsten vier Wochen hatten die eingeschlossenen Christen unablässiges Bombardement und wiederholte Angriffe durch Wehrtürme und Versuche, die Stadtmauern zu untergraben, auszuhalten. Die Lage der Verteidiger der Stadt war jedoch von Anfang an praktisch hoffnungslos.
Als Joscelin II. von dem Angriff erfuhr, versuchte er, in Tell Bashir ein Entsatzheer zu versammeln. Melisende reagierte umgehend auf seine Bitten um Beistand, sie schickte Truppen in den Norden, doch aus [215] Gründen, die nicht ganz deutlich werden, verweigerte Raimund von Antiochia seine Mithilfe. Der Graf versuchte immer noch verzweifelt, einen Gegenschlag zu organisieren, da traf die entsetzliche Nachricht ein, Edessa sei gefallen. Am 24. Dezember 1144 war es Zangis Leuten gelungen, nach ausgedehnten Grabungsarbeiten ein gewaltiges Stück der städtischen Festungsmauer zum Einsturz zu bringen. Muslimische Krieger fluteten durch die Bresche in die Stadt hinein, und die Christen flohen zu Tode erschrocken in die Zitadelle. Aufgrund der Panik wurden Hunderte zu Tode getrampelt, unter ihnen auch der lateinische Erzbischof, und dann machten sich die Soldaten des Atabeg an ihr grausiges Werk. Ein armenischer Einwohner der Stadt schrieb, dass die Muslime »unbarmherzig Unmengen von Blut vergossen, sie hatten weder vor alten Menschen Respekt, noch kannten sie Mitleid mit den unschuldigen, lämmergleichen Kindern«. Die wenigen, denen es gelang, die innere Festung zu erreichen, hielten noch zwei weitere Tage aus, doch am 26. Dezember befand sich dann die gesamte Stadt in den Händen der Muslime.
Die Eroberung Edessas war für Zangi ein Gelegenheitssieg gewesen, für die Franken dagegen stellte sie eine vollkommene Katastrophe dar. Allein schon die strategischen Konsequenzen waren im höchsten Maß alarmierend. Nun, da ihre Hauptstadt verloren war, stand die umliegende lateinische Grafschaft ebenfalls am Rand des Ruins. Und wenn dieser nördlichste Kreuzfahrerstaat fiel, dann war der Kontakt und die Kommunikation zwischen den muslimischen Mächten Mesopotamiens und Syriens wesentlich erleichtert und erheblich sicherer als bisher. Vor diesem Hintergrund sah auch die Zukunft des Fürstentums Antiochia finster aus: Sein nördlicher Nachbar und
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