Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
Vom Netzwerk:
wollte seine kaiserliche Autorität in Antiochia und Kilikien wiederherstellen und engere Bande zum fränkischen Palästina knüpfen. Der Hintergrund dieses Sinneswandels waren Heiratsverbindungen. Im September 1158 heiratete König Balduin III. eine Frau aus den obersten Rängen der Dynastie der Komnenen, Manuels Nichte Theodora. Sie brachte eine üppige Mitgift in die Ehe ein. Der Kaiser ging dann im Dezember des Jahres 1161 noch einen weiteren Schritt auf die Franken zu, indem er Maria von Antiochia, die Schwester Bohemunds III., heiratete.
    Die Konsequenzen aus diesen Verbindungen waren für Nur ad-Din ebenso offensichtlich wie beunruhigend: Byzanz, der christliche Gegner des Islams von alters her, würde seine legendäre Macht wieder in der Levante geltend machen. Und während die Lateiner für seine Pläne eine eher lästige und vorübergehende Bedrohung darstellten, scheint der [279] Herr von Aleppo und Damaskus in den Byzantinern eine chronische und schwerer zu bewältigende Gefahr gesehen zu haben. Nur ad-Din reagierte daher mit einer Mischung aus Respekt, Besorgnis und Entschlossenheit, als Manuel Komnenos im Oktober 1158 an der Spitze eines gewaltigen Heeres nach Nordsyrien zog.
    Im Herbst dieses Jahres nahm der Kaiser die Unterwerfung Rainalds entgegen; er geruhte, dessen Reue für den Anschlag auf Zypern zu akzeptieren, und machte sich die nach immer größerer Unabhängigkeit strebenden armenischen Rubeniden gefügig. Im April 1159, nachdem seine widerspenstigen Untertanen befriedet waren, ritt Manuel in majestätischer Pracht in Antiochia ein, umgeben von seiner glänzenden Warägergarde und geleitet von seinem Knecht Rainald. Sogar König Balduin brachte seine Ergebenheit zum Ausdruck, indem er dem Kaiser in einem gewissen Abstand folgte, zwar ebenfalls zu Pferd, doch ohne seine Herrschaftszeichen. Die Botschaft war deutlich: Die Überlegenheit Manuels als Herrscher der christlichen Großmacht im östlichen Mittelmeerraum war unanfechtbar. Wenn ihn danach verlangte, hatte er die Macht, eine Schneise quer durch Syrien zu schlagen.
    Nur ad-Din, der sich im Frühjahr 1159 gerade erst von seiner zweiten Krankheitsattacke erholt hatte, beherzigte diese Drohung und versammelte Truppen auch aus weiter entfernten Regionen wie Mosul, um im Zeichen des Dschihads zu kämpfen und Aleppos Verteidigungsanlagen zu verstärken. Dennoch – als sich im Mai die christlichen Truppen in Antiochia unter dem Befehl Manuels versammelten und sich auf einen Sturmangriff auf Aleppo vorbereiteten, müssen die Muslime klar in der Minderzahl gewesen sein. Angesichts einer so bedrohlichen Konfrontation hätte sich ein eher kriegerisch gesinnter seldschukischer Kriegsherr von Zangis Format mit stolzer Verachtung in den Kampf gestürzt und wahrscheinlich eine Niederlage hinnehmen müssen. Nur ad-Din hatte dagegen im Umgang mit Damaskus die Gabe bewiesen, sich der Finessen der Diplomatie zu bedienen. Nun machte er sich daran auszuloten, wie weit Manuels Bereitschaft ging, sich an einem kostspieligen Feldzug an der entlegenen Ostgrenze des Byzantinischen Reiches zu engagieren. Durch Gesandte schlug er dem Kaiser einen Waffenstillstand vor, verbunden mit dem Angebot, gut 6000 Franken freizulassen, die während des zweiten Kreuzzugs gefangen genommen worden waren, und außerdem Byzanz bei seinem Vorgehen gegen die Seldschuken Anatoliens zu [280] unterstützen. Zur Bestürzung seiner fränkischen Verbündeten erklärte der Kaiser sich mit diesen Bedingungen umgehend einverstanden und befahl den sofortigen Abbruch des Feldzugs.
    Manuels Verhalten war wohl vorhersehbar – wieder einmal waren die Interessen des Reiches denen von Outremer übergeordnet worden. Nur ad-Dins Handlungsweise jedoch bewies, dass er alles andere als ein unversöhnlicher, ideologisch verbohrter Vertreter des Dschihads war, dem es um nichts anderes ging als um den Konflikt mit den Christen. Stattdessen war er ganz pragmatisch und klug einer Konfrontation mit einem der wahren, übermächtigen Gegner des Islams aus dem Weg gegangen. In der Beziehung zwischen Nur ad-Din und Manuel sanken die Kreuzfahrerstaaten zu einem Nebenschauplatz herab.
    Alles, was Nur ad-Din in diesen Jahren unternahm, lässt darauf schließen, dass er trotz seiner offensichtlichen religiösen Erweckung und des verstärkten Einsatzes von Propaganda für den Dschihad nach wie vor das lateinische Outremer als nur einen unter mehreren Gegnern auf dem komplexen, dornigen Feld der Machtpolitik im

Weitere Kostenlose Bücher