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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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wenn die Verhältnisse harmonisch, im Blick auf das Gute, geordnet sind, dann wird mein Wunsch und mein Ziel vollkommen erfüllt sein. 13
    Es gibt einerseits einen klaren Unterschied zwischen Nur ad-Dins Vorgehen und Zielen in den 1140er-Jahren und seinen Aktivitäten 20 Jahre [288] danach; und die Unterschiede zu den Taten und Methoden seines Vaters Zangi liegen auf der Hand. Doch es bleiben offene Fragen und Vorbehalte. Bedenkt man den historischen Kontext und die Komplexität der menschlichen Natur, dann kann eine eindeutige Antwort – in der Nur ad-Din entweder ein ergebener Anhänger des Dschihads war oder ausschließlich seinen eigenen Interessen folgte – nur in die Irre führen. Die Christen, die zum ersten Kreuzzug aufbrachen, waren ganz offensichtlich durch eine Mischung aus Frömmigkeit und Habgier motiviert, und ebenso kann auch Nur ad-Din durchaus in der Lage gewesen sein, den politischen und militärischen Wert des Engagements für eine religiöse Sache zu erkennen, und gleichzeitig von echter Frömmigkeit angetrieben worden sein. Im Orient waren alteingesessene arabische und persische Eliten an der Macht, als die Kriegsherren-Dynastie der Zangiden sich allmählich emporarbeitete. Ihr Bedarf an sozialer, religiöser und politischer Legitimierung muss also beträchtlich gewesen sein.
    Im Lauf des 12. Jahrhunderts setzte sich die Idee einer Wiedergeburt des Dschihads in der Levante durch, und dieser Prozess beschleunigte sich während der Wirkungszeit Nur ad-Dins geradezu exponentiell. Im Jahr 1105, als al-Sulami in Damaskus den Nutzen des heiligen Krieges gerühmt hatte, war er kaum auf Resonanz gestoßen. In den späten 1160er-Jahren hatte sich die Atmosphäre in Damaskus und Aleppo grundlegend gewandelt, und Nur ad-Din war wohl an der Entstehung dieser Begeisterung nicht ganz unbeteiligt; jedenfalls war ihm bewusst, dass eine Botschaft, die auf die spirituelle Dimension des Kampfes gegen die Feinde des sunnitischen Islams zielt, nun bei vielen Gehör finden würde.

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    [290] DER REICHTUM ÄGYPTENS
    D er Konflikt zwischen dem Islam der Zangiden und den levantinischen Franken entzündete sich in den 1160er-Jahren überwiegend an Ägypten: Beide Seiten versuchten, die Kontrolle über die Nilregion zu erringen. Strategisch gesehen hätte die Herrschaft über Ägypten für Nur ad-Din bedeutet, dass er Outremer umzingeln konnte – Aleppo und Damaskus waren gesichert, und wenn Kairo noch dazukam, hätte sich das Gleichgewicht der Macht im Vorderen Orient unwiderruflich zu seinen Gunsten verschoben. Die Spaltung zwischen dem sunnitischen Syrien und dem schiitischen Ägypten hatte seit langem jegliche Hoffnung auf ein geeintes Vorgehen gegen die Lateiner zunichte gemacht. Wenn diese Spaltung irgendwie überwunden werden konnte, wäre der Islam zum ersten Mal seit dem Eintreffen der Kreuzfahrer geeint.
    Verlockend war außerdem der fabelhafte Wohlstand des Landes am Nil. Die jährliche Überschwemmung im August machte das urbare Land an seinen Ufern im gesamten Nildelta äußerst fruchtbar. In einem guten Erntejahr erzielte Ägypten unglaubliche Gewinne aus der Landwirtschaft und infolgedessen reichlich Steuereinkünfte. Außerdem profitierte die Region von dem ständig zunehmenden Handel zwischen dem Indischen Ozean und dem Mittelmeer, weil die wichtigste Landroute, die beide verband, durch Ägypten führte. In der Nilregion verkehrten auch italienische und byzantinische Kaufleute, und so stieg sie zu einem führenden Zentrum des Welthandels auf.
    ÄGYPTEN IM MITTELALTER
    Man liest immer wieder, Ägypten sei zur Zeit der Kreuzzüge muslimisches Territorium gewesen, doch das ist eine unzulässige Vereinfachung. [291] Das Gebiet wurde im Jahr 641 n. Chr. während der ersten Welle der arabisch-islamischen Expansion erobert, doch das Leben der herrschenden arabischen Elite konzentrierte sich dann hauptsächlich an zwei Punkten: in der Hafenstadt Alexandria, die Alexander der Große 1500 Jahre zuvor gegründet hatte; und in der von den Arabern neu gegründeten Stadt Fustat an der Spitze des Nildeltas. Ansonsten überwog in Ägypten die einheimische koptisch-christliche Bevölkerung. Im Lauf der Jahrhunderte glichen sich die Kopten den Arabern in kultureller Hinsicht an, indem sie beispielsweise die arabische Sprache übernahmen, doch die Übernahme des islamischen Glaubens vollzog sich weitaus langsamer. Auch im 12. Jahrhundert gab es außerhalb der Städte noch eine koptisch-christliche Unterschicht.
    Seit 969

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