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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Flüchtlinge aus Palästina wohnen durften. Nur ad-Dins Hof in Damaskus zog bald Fachleute und Gelehrte aus den Bereichen Staatsführung, Gesetzgebung und Kriegswesen aus der gesamten muslimischen Welt an. Unter ihnen befand sich der persische Intellektuelle Imad ed-Din al-Isfahani, der später einige besonders aufschlussreiche und enthusiastische Geschichtswerke in arabischer Sprache verfasste. Er wurde in Bagdad ausgebildet und begleitete im Jahr 1167 den Emir als katib (Sekretär/Gelehrter); später beschrieb er seinen neuen Herrn als den »schlichtesten, frömmsten, weisesten, reinsten und tugendhaftesten aller Könige«.
    In dieser gesamten Periode trat Nur ad-Din als frommer Muslim auf, als Erneuerer des sunnitischen Gesetzes und der sunnitischen Orthodoxie. Bezeichnenderweise trug das mächtigste und am leichtesten zu verbreitende Propagandawerkzeug, das ihm zur Verfügung stand, nämlich die Münzen, die er prägen ließ, die Inschrift »Der gerechte König«. Seit den frühen 1160er-Jahren jedoch scheint er größeren Wert auf die Rolle des Dschihads gelegt zu haben: In Inschriften an öffentlichen Bauten strich er seine Tugenden als heroischer Mudschahid heraus. Außerdem begann sich in dieser Periode die zentrale Rolle Jerusalems im Rahmen der Dschihad-Ideologie herauszukristallisieren. Der Vertraute des Emirs, Ibn Asakir, war aktiv daran beteiligt, die Tradition der Preisgedichte auf die Tugenden der Heiligen Stadt wiederzubeleben, und er pflegte diese Texte vor großem Publikum in Damaskus vorzutragen. Die Dichter am Hof Nur ad-Dins verfassten Schriften, in denen sie betonten, wie dringlich nicht nur der Angriff auf die Lateiner, sondern auch die Wiedereroberung der drittheiligsten Stadt des Islams war. Diese Schriften fanden große Verbreitung. Einer der Dichter feuerte seinen Herrn an, so lange Krieg gegen die Franken zu führen, »bis Ihr Jesus aus Jerusalem fliehen seht«. Ibn al-Qaysarani, der auch schon Zangi gedient hatte, formulierte seinen Wunsch, dass »die Stadt Jerusalem durch Blutvergießen gereinigt« werden möge, und er verkündete, Nur al Din sei »so stark wie je zuvor, und das Eisen seiner Lanze zielt genau auf die al-Aqsa-Moschee«. Der Emir selbst äußerte in einem Schreiben an den Kalifen von Bagdad seinen Wunsch, »die Verehrer des Kreuzes aus der al-Aqsa-Moschee zu vertreiben«.
    [287] Es gibt einen weiteren Beleg für die neue Hauptrolle Jerusalems sowohl in der Ideologie, die Nur ad-Din verbreiten ließ, als auch möglicherweise in seiner eigenen Zielsetzung. In den Jahren 1168 und 1169 ließ er von dem bekannten Kunsthandwerker al-Akharini ein herrlich verziertes minbar (eine Kanzel aus Holz) herstellen, die der Emir in der al-Aqsa-Moschee aufzustellen hoffte, wenn die Heilige Stadt erst zurückerobert war. Einige Jahre später ließ sich der Pilger Ibn Dschubair anlässlich seiner Reise durch die Levante über die außerordentliche Schönheit dieser Kanzel aus; er versicherte, es gebe in der ganzen Welt nichts Eindrucksvolleres. Dieses minbar sollte zweifellos eine imponierende öffentliche Willenserklärung darstellen, trug es doch eine Inschrift, die den Emir preist als »Kämpfer für den Dschihad auf Seinem Weg, Verteidiger der Grenzen gegen die Feinde Seiner Religion, der gerechte König, Nur ad-Din, die Säule des Islams und der Muslime, Spender der Gerechtigkeit«. Es gibt jedoch in dieser Selbstdarstellung zusätzlich einen sehr persönlichen, fast schon demütigen Ton: Nur ad-Din gibt sich Gott mit der schlichten, anrührenden Bitte hin: »Möge Er ihm den Sieg gewähren und seinen eigenen Händen.« Nach der Fertigstellung ließ der Emir die Kanzel in der großen Moschee von Aleppo aufstellen, wo sie, wie Imad ed-Din schrieb, aufgehoben wurde »wie ein Schwert in der Scheide« und auf den Tag des Sieges wartete, an dem es Nur ad-Din gelingen würde, sich seinen Traum von der Wiedereroberung Jerusalems zu erfüllen. 12
    Wie also ist Nur ad-Din zu beurteilen? Beweist sein Vorgehen gegen die Franken nach der Schmach von Bouqia und sein Einsatz für die Verbreitung der Dschihad-Ideologie, dass er sich gänzlich der Vorstellung des heiligen Krieges verschrieben hatte? Kann man die folgenden Worte aus einer Damaszener Chronik, die der Emir über sich selbst geäußert haben soll, wörtlich nehmen?
    Ich strebe nach nichts anderem als dem Wohl der Muslime und danach, gegen die Franken Krieg zu führen [. . .]. [Wenn] wir uns gegenseitig im heiligen Krieg unterstützen, und

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