Die Kreuzzüge
den Weg, doch als er durch Bilbais kam, fiel einem syrischen Türken auf, dass er neue Sandalen trug, deren Eleganz zu seinem ansonsten abgerissenen Äußeren nicht passte. Der Bote wurde festgenommen; man fand Briefe an die Franken, die in seine Schuhe eingenäht waren, und der Plan flog auf. Saladin beschnitt daraufhin die Unabhängigkeit des Fatimidenhofs: Er ließ den Eunuchen Mutamin im August hinrichten und ersetzte ihn durch Qaragush, der von da an sämtlichen Palastangelegenheiten vorstand. 7
Saladins energisches Durchgreifen löste Unruhen in Kairos Garnison aus. In der Stadt befanden sich um die 50 000 schwarzafrikanische Soldaten aus dem Sudan, die dem Kalifen treu ergeben waren und daher für die Autorität der Ajjubiden eine echte Gefahr darstellten. Zwei Tage lang tobten sie in den Straßen und drohten, den Amtssitz Saladins im Wesirpalast zu stürmen. Abu’l Haija der Dicke erhielt den Auftrag, ihren Vormarsch aufzuhalten, doch Saladin wusste, dass ihm nicht genügend Männer für einen offenen Kampf zur Verfügung standen, daher bediente er sich einer eher indirekten Taktik. Die meisten Sudanesen lebten mit ihren Familien im al-Mansurah-Viertel von Kairo. Saladin befahl, die gesamte Gegend in Brand zu stecken, und, wie es ein muslimischer Zeitgenosse beschrieb, »dort alles mitsamt dem Besitz, den Kindern und [303] Frauen [der rebellierenden Truppen] niederzubrennen«. Diese kaltblütige Schreckenstat zerbrach natürlich die Kampfmoral der Sudanesen, und sie stimmten einem Waffenstillstand zu, der ihnen sicheren Abzug nilaufwärts garantierte. Als sie dann allerdings erst aus der Stadt heraus waren und sich in kleineren, ungeordneten Gruppen auf den Weg in Richtung Süden machten, fielen sie heimtückischen Gegenangriffen von Turan-Shah zum Opfer und wurden praktisch ausgelöscht.
Saladin behielt diese Methode kaltblütiger Vergeltung bei, wenn er den Eindruck hatte, dass es nicht anders ging, doch bediente er sich im Umgang mit seinen Gegnern auch subtilerer und differenzierterer Methoden. Nachdem er in sein Amt als Wesir der Fatimiden eingesetzt worden war, wurde er wiederholt vom Kalifen in Bagdad und von Nur ad-Din in Damaskus unter Druck gesetzt, den schiitischen Kalifen Ägyptens zu entmachten, der ja in den Augen der sunnitischen Orthodoxie ein Ketzer war. Doch Saladin kam diesen Aufforderungen nicht nach, er unternahm keinen unüberlegten Schritt, um ald-Adid zu stürzen, vielmehr pflegte er eine von gegenseitigem Wohlwollen geprägte Beziehung zu dem jungen Herrscher – eine Beziehung, die ansatzweise vielleicht tatsächlich so etwas wie Freundschaft war. Saladins Stellung in der Nilregion war viel zu instabil, als dass er sich einen direkten dynastischen Umsturz hätte leisten können. Er war sich darüber im Klaren, dass er, um als Wesir überleben zu können, zumindest anfänglich ein gewisses Ausmaß an Stabilität brauchte und, was noch wichtiger war, die üppige finanzielle Versorgung, die mit der Unterstützung des Kalifen verbunden war.
Im Spätsommer 1169 wurde der Wert dieser Politik sichtbar. König Amalrich litt noch immer unter der Schmach seines Rückzugs aus Ägypten im vergangenen Winter, und er nahm sich – verstärkt durch eine große byzantinische Flotte – ein neues Angriffsmanöver vor, diesmal auf den Hafen von Damiette im östlichen Nildelta. Dieser Angriff stellte für Saladin eine akute Bedrohung dar, der weitere Verlauf der Ereignisse bewies jedoch, dass er dieser Herausforderung mehr als gewachsen war. Er versammelte ein gewaltiges Heer und rüstete es aus – unter Verwendung der wahrhaft kolossalen Summe von einer Million Gold-Dinaren aus al-Adids Schatzkammer. Anstatt die Befreiung Damiettes selbst anzuführen und so Kairo für den Fall einer Revolte ungeschützt zurückzulassen, übertrug Saladin das Oberkommando klugerweise seinem Neffen, [304] Taqi ad-Din, und er selbst blieb in der Hauptstadt. Als diese Streitmacht sich mit den syrischen Truppen verband, die Nur ad-Din entsandt hatte, erkannte Amalrich, dass er diesem Riesenheer hoffnungslos unterlegen war, und da er die lateinisch-griechischen Operationen nicht angemessen koordinieren konnte, brach seine Offensive zusammen. Dieser muslimische Sieg bereitete dem Kampf um die Herrschaft über Ägypten, den die Lateiner in den 1160er-Jahren geführt hatten, ein definitives Ende. Die Franken träumten auch weiterhin von einer Eroberung, doch nun blieb die Nilregion erst einmal in der Hand des Islams, in
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