Die Kreuzzüge
Pferd zum Lager Schirkuhs auf, um die Verhandlungen fortzusetzen; er wurde allerdings von Yusuf ibn Ajjub und Jurdik, einem zweiten Syrer, angegriffen und vom Pferd gezerrt.
Nur wenige Stunden später war der Wesir hingerichtet, sein Kopf wurde dem Kalifen überbracht. Doch noch immer war der syrische Erfolg
nicht gänzlich gesichert. Schirkuh, der nach Kairo hineinritt, um sich zu al-Adids neuem Regierungschef ernennen zu lassen, sah sich einer aufgebrachten Menge gegenüber. In den engen Gassen der Altstadt habe er, so heißt es, »um sein Leben fürchten« müssen. Dann hatte er jedoch den genialen Einfall, die renitente Schar zum Wohnsitz des verblichenen Shawar umzuleiten, so dass es ihm gelang, den Kalifenpalast unversehrt zu erreichen.
Theoretisch festigte die Ernennung Schirkuhs zum Wesir der Fatimiden [299] die zangidische Macht in der Nilregion und leitete eine neue Phase muslimischer Einheit ein, in der Aleppo, Damaskus und Kairo ihre Heere zum Dschihad gegen die Franken vereinen konnten. Zeitgenössische muslimische Quellen lassen darauf schließen, dass Nur ad-Din zumindest in der Öffentlichkeit Schirkuhs Erfolge rühmte; er ließ dessen »Eroberung von Ägypten« in ganz Syrien verkünden, obwohl er noch immer Bedenken hatte, was die Loyalität seines Heerführers in Zukunft anbelangte. Wie die Absichten Schirkuhs tatsächlich aussahen, ist allerdings nicht mehr zu rekonstruieren, weil er nur knapp zwei Monate später an einer akuten eitrigen Racheninfektion infolge übermäßigen Essens starb.
Die Angaben zur Wahl eines Nachfolgers für Schirkuh – als Befehlshaber des syrischen Feldzugs wie auch als Wesir – sind verworren und widersprüchlich. Nach wie vor war da sein kurdischer Neffe, Yusuf ibn Ajjub, der Veteran von al-Babayn und Alexandria, der damit rechnen durfte, dass ihn der größte Teil des militärischen Gefolges seines Onkels (dessen askar ), bestehend aus 500 Mamluken, unterstützen würde. Es gab allerdings auch andere, womöglich auf den ersten Blick fähigere Anwärter, darunter den prozangidischen Türken Ayn al-Saulah und einen weiteren von Schirkuhs Hauptleuten, den begabten kurdischen Krieger al-Mashtub. Aus tagelangen Diskussionen und Intrigen ging Yusuf als Sieger hervor. Schirkuhs Neffe verfügte über ein bemerkenswertes Gespür für die Raffinessen höfischer Politik, er spielte die übrigen syrischen Kandidaten gegeneinander aus, arbeitete mit Andeutungen und Unterstellungen, und bot sich dann schließlich als Kompromisskandidat an. Sein Fürsprecher und Anwalt während des gesamten Verfahrens war Isa, ein verschlagener kurdischer Jurist und Imam. Lediglich Ayn al-Daulah ließ sich nicht herumkriegen, er kehrte nach Damaskus zurück mit der Versicherung, er werde nie einem solchen Emporkömmling dienen. Dem ägyptischen Kalifen und seinem Beraterkreis zeigte Yusuf ein ganz anderes Gesicht – er erweckte bei ihnen den Anschein, dass er ein leicht zu beeinflussender, schwacher Regierungschef sein werde, ein Außenseiter, den man später, wenn die Fatimiden wieder die ganze Macht zurückgewonnen hätten, mit Leichtigkeit würde beseitigen können. Ende März 1169 wurden dann sein »Oberkommando über die syrischen Truppen und seine Ernennung zum Wesir al-Adids« erwartungsgemäß bestätigt. 5
[300] Was auch immer der ägyptische Kalif erhofft haben mag – Yusuf ibn Ajjub enthüllte seine wahren Qualitäten rasch, als er innerhalb weniger Monate nach seinem Amtsantritt einen versuchten Palastaufstand vereitelte und eine Militärrevolte brutal niederschlug. In den folgenden Jahren stellte sich mit aller Deutlichkeit heraus, dass sein Ehrgeiz den seines Onkels Schirkuh um einiges übertraf. Yusuf konnte je nach Bedarf äußerst unbarmherzig und besonders großmütig sein, er verfügte über enorme politische und militärische Begabung, und seine Erfolge sollten sogar die seines Herrn Nur ad-Din überstrahlen. Bald verdiente er sich den großen Namen, unter dem er der Geschichte besser bekannt ist: Salah ad-Din , »die Güte des Glaubens«, oder, wie er im Abendland hieß: Saladin.
SALADIN, HERRSCHER ÄGYPTENS (1169 – 1174)
Trotz seines gewaltigen Einflusses auf die Geschichte und den Krieg im Heiligen Land ist uns keine Beschreibung seiner äußeren Erscheinung überliefert. Im Jahr 1169 hätte wohl kaum jemand vorausgesagt, dass dieser 31-jährige kurdische Krieger die Dynastie der Ajjubiden (benannt nach Saladins Vater Ajjub) zur neuen beherrschenden Macht innerhalb
Weitere Kostenlose Bücher