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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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abzuschließen. Als er dann jedoch im Herbst 1168 zurückkehrte, war Amalrich schon selbst tätig geworden. Er hoffte, seine Pläne auch ohne die Hilfe der Griechen umzusetzen und damit zu verhindern, die Reichtümer Ägyptens mit dem Kaiser teilen zu müssen. Es genügte Amalrich nicht, dass Ägypten ein Vasallenstaat war, er wollte den Nil erobern. Die Johanniter bestärkten ihn in dieser Einschätzung; also drang er im späten Oktober überraschend in Ägypten ein: Er brach von Askalon auf, um Bilbais anzugreifen. [297] Die Stadt ergab sich nach nur wenigen Tagen, am 4. November, und die Franken begannen mit einer blutigen, verheerenden Plünderung: Von der Bevölkerung wurde kaum jemand verschont, und es wurde hemmungslos Beute gemacht.
    Nach diesem Anfangssieg jedoch bröckelte die lateinische Offensive. Amalrich hatte wohl erwartet, ein plötzlicher brutaler Überfall werde den ägyptischen Widerstand brechen; tatsächlich aber hatte der Bruch des Vertrags mit Kairo und das Entsetzen über die hemmungslose Brutalität der Franken in Bilbais die Antipathien der Muslime in der gesamten Nilregion nur verschärft. Die Situation verschlimmerte sich noch dadurch, dass der König nun das Tempo seiner Invasion drosselte – vielleicht nahm er an, dass der Wesir Shawar sich bereitwillig ergeben würde –, und er ließ es geschehen, dass man ihn mit Verhandlungsangeboten und der Zusage neuer Tributzahlungen hinhielt. Im Grunde beruhte die gesamte Strategie des Königs in den letzten Monaten des Jahres 1168 auf einer verhängnisvollen Fehleinschätzung: Amalrich war überzeugt, dass die Ereignisse des Jahres 1167 einen Keil zwischen Kairo und Damaskus getrieben hätten; er glaubte, Shawar habe keine Verbündeten mehr und sei entsprechend verwundbar, aber er hatte zum einen die diplomatische Wendigkeit des Wesirs und zum andern den Ehrgeiz der Zangiden unterschätzt.
    Rückkehr an den Nil
    Als die Franken Ägypten angriffen, schickte Shawar mehrere Hilferufe an Nur ad-Din, und der Emir reagierte – nun ungeachtet seiner früheren Bedenken, sich in die ägyptischen Angelegenheiten einzumischen –, indem er umgehend zur Tat schritt. Anfang Dezember 1168 war südlich von Damaskus eine starke syrische Streitmacht versammelt, darunter 7000 Berittene und ein Vielfaches an Fußsoldaten. Schirkuh erhielt das Oberkommando, eine Kriegskasse von 200 000 Dinaren und sämtliche Mittel, die er brauchte, um sein Heer auszurüsten. Um allerdings den Spielraum des Kurden etwas einzugrenzen, stellte Nur ad-Din ihm einige andere bewährte Kriegsherren zur Seite, darunter den Türken Ayn al-Daulah. Außerdem brachte Nur ad-Din offenbar auch Schirkuhs Neffen, Yusuf ibn Ajjub, trotz dessen Verwandtschaft mit Schirkuh beträchtliches Vertrauen entgegen; es scheint allerdings nicht leicht gewesen zu sein, [298] diesen zu einer Rückkehr an den Nil zu überreden, weil er die Belagerung von Alexandria noch in allzu düsterer Erinnerung hatte.
    Als Amalrich erfuhr, dass Schirkuh »an der Spitze eines riesigen Heeres« durch die Wüste Sinai heranrückte, war der fränkische König entsetzt. Er zog seine Streitkräfte in Bilbais zusammen und marschierte Ende Dezember Richtung Osten in die Wüste; er hoffte, die Syrer noch ablenken zu können, bevor sie sich mit Shawars Truppen zusammenschließen konnten. Doch er kam zu spät. Kundschafter meldeten, Schirkuh habe bereits den Nil überquert, und Amalrich, der damit rechnen musste, dass sein Heer hoffnungslos in der Minderzahl war, fasste den schweren, demütigenden Entschluss, mit leeren Händen nach Palästina zurückzukehren. 4
    Endlich stand der Weg nach Ägypten für Schirkuh offen, und er nutzte die Gelegenheit umgehend. Anfang 1169 versuchte Shawar noch verzweifelt, irgendwelche Bedingungen zu formulieren, doch sein politischer und militärischer Rückhalt schwand rasch dahin. Seine Bündnispolitik mit den Franken – zu der schließlich auch das äußerst unpopuläre, ja skandalöse Zugeständnis gehört hatte, sogar Kairo für lateinische Soldaten zu öffnen – war gescheitert. Schirkuh war zwar ein Repräsentant des sunnitischen Syriens, seit Jahrhunderten ein Feind der schiitischen Fatimiden, doch für viele Bewohner der ägyptischen Hauptstadt war er den Christen aus Jerusalem immer noch vorzuziehen, und am 10. Januar ließ offenbar Kalif al-Adid selbst im kleinen Kreis erkennen, dass er den Kurden unterstützte. An einem nebligen Morgen acht Tage später brach ein argloser Shawar zu

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