Die Kreuzzüge
Imad ad-Din, der ständig bei ihm war, schrieb: »Im gleichen Maße, wie die Schmerzen [des Sultans] zunahmen, vermehrte sich auch seine Hoffnung auf die Gnade Gottes«, und ingrimmig stellte er fest: »Die Ausbreitung der schlechten Neuigkeiten [. . .] konnte nicht verhindert werden, vor allem, als die Doktoren heraus[kamen] und sagten, dass es keine Hoffnung mehr gebe [. . .] dann konnte man beobachten, dass die Leute ihre Schätze fortschafften«. Zu Beginn des Jahres 1186 schrieb al-Fadil, dass in Damaskus »die Herzen zittern und die Zungen voller Gerüchte sind«, und er bat inständig, man solle den Sultan doch aus dem Grenzgebiet seines Reiches ins sichere Syrien zurückbringen.
Im Januar ließ Saladin sein Testament niederschreiben, und Mitte Februar traf al-Adil aus Aleppo ein, einerseits um zu helfen, doch auch, um in der Nähe zu sein, wenn es darum ging, die Macht zu übernehmen, falls dies notwendig werden sollte. Ein anderer Ajjubide kehrte gleichzeitig Harran den Rücken: Nasir ad-Din, der Sohn Schirkuhs, war offenbar zerfressen von Eifersucht auf den Aufstieg und die Machtfülle Saladins in Ägypten – ein Gebiet, auf das auch er selbst als Schirkuhs Erbe im Jahr 1169 einen Anspruch gehabt hätte. Er hatte dann die Stadt Homs bekommen, was ihn in den 1170er-Jahren, wenn auch widerwillig, einigermaßen bei der Stange gehalten hatte, doch als nun der Tod des Sultans offenbar direkt bevorstand, sah Nasir ad-Din eine Chance, selbst an die Macht zu kommen. Er heckte den Plan aus, Damaskus einzunehmen, und zog heimlich Truppen in Syrien zusammen. Sein Timing allerdings erwies sich als miserabel. Ende Februar besserte sich der Zustand des Sultans entscheidend; langsam, aber stetig erholte er sich. Am 3. März war Nasir ad-Din tot. Offiziell war er einer Krankheit erlegen, die »schneller als ein Augenzwinkern« zugeschlagen hatte, doch es ging das Gerücht, [364] er sei von einem der damaszenischen Agenten Saladins vergiftet worden.
In den ersten Wochen des Jahres 1186 war Saladin nur zu deutlich mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert worden. Immer wieder hieß es, er sei daraus verwandelt hervorgegangen: Er habe innehalten müssen, habe nachgedacht über sein Leben, seinen Glauben und seine Taten in den vielen Kriegen gegen die Franken und seine muslimischen Glaubensbrüder. Natürlich stellten einige Zeitgenossen dies als Phase eines tiefgreifenden Umbruchs in der Vita des Sultans dar; danach habe er sich ganz der Sache des Dschihads und der Rückeroberung Jerusalems verschrieben. Am Tiefpunkt seiner Krankheit legte er offenbar das Gelübde ab, all seine Kräfte in den Dienst dieser Aufgabe zu stellen, wie hoch auch immer das Opfer an Menschen und Geldmitteln ausfallen sollte. Imad ad-Din schrieb, diese Krankheit sei von Gott geschickt worden, »um [Saladin] aus dem Schlaf des Vergessens aufzuwecken«, und er fügte hinzu, dass der Sultan sich in der Folgezeit mit islamischen Rechtsgelehrten und Theologen beriet, um mehr über seine spirituellen Verpflichtungen zu lernen. Al-Fadil hatte sich schon von Anfang an gegen den Mosul-Feldzug ausgesprochen; jetzt bemühte er sich, Saladin zu überreden, auf seine feindselige Haltung gegenüber Muslimen zu verzichten. Konkret hatte Saladins Krankheit also zunächst die Folge, dass er gezwungen war, im März 1186 einem Kompromiss mit Mosul zuzustimmen. Der Zangidenherrscher Izz ad-Din blieb an der Macht, erkannte jedoch den Sultan als seinen Herrn an, ließ seinen Namen im Freitagsgebet nennen und versprach, Truppen für den heiligen Krieg zur Verfügung zu stellen. 11
Saladins Entwicklung bis zum Jahr 1186
Für moderne Gelehrte – repräsentativ ist die klassische, politisch ausgerichtete Biographie Saladins von Malcolm Lyons und David Jackson aus dem Jahr 1982 – war Saladins schwere Krankheit noch in einer anderen Hinsicht aufschlussreich, denn man kann in diesem Zusammenhang die interessante Frage stellen, welches Bild wir heute von Saladin hätten, wenn das Schicksal eine andere Wendung genommen hätte, wenn Saladin also Anfang 1186 in Harran gestorben wäre. Lyons und Jackson stellen die These auf, dass man Saladin in diesem Fall als »mäßig erfolgreichen [365] Feldherrn [sowie als] Dynasten, der den Islam für seine eigenen Zwecke einspannte«, ansehen würde – eine instruktive, wenn auch etwas undifferenzierte Behauptung. 12 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Sultan sich nur begrenzt für den Dschihad eingesetzt, seit 1174 hatte er 33
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