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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Judäas gelegen – war begrenzt. Doch nach den Jahrzehnten, in denen Nur ad-Din und Saladin ihre religiöse Bedeutung mittels Predigten und Propaganda nachdrücklich ins Bewusstsein gehoben hatten, war der Status Jerusalems als heiligster Ort des Islams außerhalb Arabiens fest verankert. In einem Krieg, der auf der Vorstellung des Dschihads aufbaute, musste Jerusalem das letzte Ziel sein. Saladin beorderte in weiser Voraussicht die ägyptische Flotte in den Norden, um Jaffa gegen einen christlichen Angriff zu verteidigen; die lateinischen Vorposten, die Judäa gegen Angriffe aus dem Osten schützen sollten, waren schon besiegt; nun, am 20. September 1187, rückte das Heer Saladins gegen Jerusalem vor. Der Sultan kam mit mehreren 10 000 Mann und schweren Belagerungswaffen, er hatte sich auf eine längere Konfrontation eingerichtet. Die Stadt hingegen war zwar voller Flüchtlinge, aber an kampffähigen Männern gab es bitteren Mangel. Königin Sibylla und der Patriarch Heraklios nahmen gewisse Führungsfunktionen wahr, doch die eigentliche Last der Verantwortung lag auf Balian von Ibelin. Balian hatte nach der Katastrophe von Hattin in Tyros Zuflucht gesucht, später hatte Saladin ihm sicheres Geleit zur Heiligen Stadt zugebilligt, damit er dort seine Frau Maria Komnena und ihre Kinder abholen und in Sicherheit bringen konnte. Man hatte sich darauf geeinigt, dass Balian nur eine Nacht in Jerusalem bleiben sollte, doch konnte er nach seiner Ankunft schnell überredet werden, sich nicht an diese Vereinbarung zu halten, sondern in der Stadt zu bleiben und die Verteidigung zu organisieren. Es stand ihm gerade einmal eine Handvoll Ritter zur Verfügung, daher erhob Balian jeden Knaben aus einer Adelsfamilie, der älter als 16 war, und 30 Männer aus den Reihen der reicheren Jerusalemer Bürger in den Ritterstand. Zudem ließ er so weit wie möglich die Festungsanlagen der Stadt verstärken. Doch all seine Anstrengungen vermochten der überwältigenden Übermacht der Muslime kaum etwas entgegenzusetzen.
    Saladin begann seine Offensive mit einem Angriff auf die Mauern [387] im Westen; nach fünf Tagen unentschiedener Kämpfe am Davidsturm verlagerte er den Schwerpunkt auf den Nordsektor am Damaskus-Tor, der mit mehr Aussicht auf Erfolg angegriffen werden konnte – vielleicht folgte er unwillkürlich dem Beispiel der ersten Kreuzfahrer. Am 29. September schafften es die muslimischen Sappeure trotz des erbitterten, doch letztlich erfolglosen Widerstands der Franken, in die Mauern Jerusalems eine größere Bresche zu schlagen. Nun stand die Heilige Stadt völlig wehrlos da. Fränkische Mütter schoren ihren Kindern als Zeichen der Sühne den Kopf, und angeführt von Geistlichen zogen Barfußprozessionen durch die Straßen, doch es war nichts mehr zu machen; die Eroberung war unausweichlich.
    SALADINS ABSICHTEN IM SEPTEMBER 1187
    Wie im Einzelnen der Sultan auf diese Lage reagierte und Jerusalem unterwarf, hat sehr wesentlich das Saladin-Bild in der Geschichte geprägt. Einige Fakten, die sowohl von muslimischen wie von christlichen Quellen erwähnt werden, sind unumstritten. Die ajjubidischen Truppen haben die Heilige Stadt nicht geplündert. Stattdessen handelten der Sultan und Balian von Ibelin wahrscheinlich am 30. September die Bedingungen für die Kapitulation der Lateiner aus, und ohne weiteres Blutvergießen zog Saladin am 2. Oktober 1187 in Jerusalem ein. In den folgenden Jahrhunderten wurde auf diese »friedliche« Besetzung immer wieder mit Nachdruck hingewiesen, und zwei miteinander verknüpfte Vorstellungen wurden nun zum Allgemeingut. Beispielhaft dienten diese Ereignisse dazu, einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Islam und dem lateinischen Christentum aufzuzeigen: Während die Eroberung von 1099 im ersten Kreuzzug mit einem furchtbaren Massaker endete, scheint der Triumph der Ajjubiden die Fähigkeit zu Mäßigung und menschlichem Mitleid auszudrücken. Außerdem wurde immer wieder behauptet, Saladin sei sich des Vergleichs mit dem ersten Kreuzzug nur zu bewusst gewesen, dass er sich also darüber im Klaren war, was eine Verhandlungslösung für das Ansehen des Islams bedeuten würde – und für das Urteil über seine Person und Lebensleistung sowohl der Zeitgenossen als auch der Nachwelt. 15
    Problematisch ist diese Darstellung, weil sie sich nicht durch gewichtige [388] zeitgenössische Zeugnisse stützen lässt. Es gibt zwei entscheidende Quellen – zum einen den Bericht von Saladins Sekretär Imad

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