Die Kreuzzüge
das Ansehen des Sultans als eines bewährten Vorkämpfers des Glaubens betont werden. Jahrhunderte zuvor war Mohammed nach seiner nächtlichen Reise am 2. Oktober vom Tempelberg aus zum Himmel aufgefahren. Saladin wählte im Jahr 1187 ebendieses Datum für seinen triumphalen Einzug in die Stadt und zog damit deutliche Parallelen zwischen seinem eigenen Leben und dem des Propheten. Danach setzten rasch die Umbauten und die Islamisierung ein. Viele christliche Andachtsstätten und Kirchen wurden ihrer Schätze beraubt und geschlossen; einige wurden in Moscheen, in madrasas (Schulen) oder Gebäude für religiöse Gemeinschaften verwandelt. Intensiv diskutiert wurde das Schicksal des Heiligen Grabes; einige plädierten [392] dafür, es vollständig zu zerstören. Viele andere rieten zu weniger radikalem Vorgehen: Sie argumentierten, christliche Pilger würden die Stätte auf jeden Fall auch weiterhin aufsuchen und verehren, selbst wenn das Gebäude dem Erdboden gleichgemacht wäre, und sie erinnerten Saladin daran, dass Umar, der erste muslimische Eroberer Jerusalems, die Kirche ebenfalls nicht angerührt habe.
Die geistige Dimension von Saladins Erfolg kam am klarsten in der Sorgfalt zum Ausdruck, mit der er und seine Männer sich an die »Reinigung« der heiligen Orte Jerusalems machten. Zu den bedeutendsten gehörten zwei Stätten innerhalb des Haram as-Sharif (heute als Tempelberg bezeichnet) – der Felsendom und die al-Aqsa-Moschee. In den Augen der Muslime hatten die Franken diese beiden heiligen Gebäude auf schändliche Weise entweiht, was nun unter Einsatz aller Kräfte rückgängig gemacht wurde. Der von den Muslimen im späten 7. Jahrhundert erbaute Dom, in dem sich der Felsen befinden soll, auf dem Abraham das Opfer seines Sohnes vorbereitete und von dem aus Mohammed nach seiner nächtlichen Reise zum Himmel auffuhr, war unter lateinischer Herrschaft in ein Templum Domini (Kirche Unseres Herrn) umgewandelt und die glänzende Goldkuppel mit einem riesigen Kreuz geschmückt worden. Das Kreuz wurde umgehend abgerissen; der christliche Altar im Innern, sämtliche Bilder und Statuen wurden entfernt, und mit Rosenwasser und Weihrauch wurde das gesamte Gebäude gereinigt. Ein muslimischer Augenzeuge beschreibt stolz, wie danach »der Felsen vom Schmutz der Ungläubigen durch die Tränen der Frommen gesäubert« war und wieder einen Zustand der Reinheit gleich »einer jungen Braut« erlangte. Später wurde an der Kuppel eine Inschrift mit dem Hinweis auf die Leistung des Sultans angebracht: »Saladin hat dieses heilige Haus von den Ungläubigen gereinigt.«
Ähnlich ging man in der al-Aqsa-Moschee vor, die die Franken zunächst als Königspalast und dann als Teil des Hauptquartiers der Tempelritter benutzt hatten. Eine Mauer, die den mihrab (eine Nische, die die Gebetsrichtung anzeigt) verbarg, wurde entfernt und das gesamte Gebäude renoviert, so dass – nach den Worten von Imad ed-Din – »die Wahrheit triumphierte und der Irrtum zuschanden wurde«. Hier fand am 9. Oktober das erste Freitagsgebet statt, und die Ehre, an diesem Tag zu predigen, war unter den Rednern und heiligen Männern hart umkämpft. Saladin bestimmte dann Ibn al-Zaki, einen Imam aus Damaskus, [393] er sollte vor der dicht gedrängten, erwartungsvollen Menge sprechen. Ibn al-Zakis Predigt kreiste offenbar um drei ineinandergreifende Themen: Er bezeichnete diese Eroberung als eine Form von Reinigung; Gott wurde dafür gepriesen, dass er »Sein Heiliges Haus vom Schmutz des Polytheismus und seinen Verunreinigungen« gesäubert habe, und die Zuhörer wurden aufgefordert, »den Rest des Landes von diesem Unrat zu befreien, der Gott und seinen Propheten beleidigt«. Gleichzeitig wurde der Sultan in den höchsten Tönen gepriesen und als »Vorkämpfer und Beschützer von [Gottes] heiligem Land« gerühmt. Seine Taten wurden mit denen Mohammeds verglichen. Und schließlich verwies der Prediger noch auf die Wirksamkeit des Dschihads: »Haltet fest am heiligen Krieg; es gibt nichts, womit ihr Gott besser dienen könntet, und es ist das Hehrste, was ihr in eurem Leben zu vollbringen vermögt.« 20
Saladins Leistung
Im Sommer des Jahres 1187 hatte Saladin zwei überwältigende Siege errungen. Er nutzte die Situation nach der Schlacht von Hattin und eroberte Jerusalem zurück, womit er die Leistungen all seiner muslimischen Vorgänger im Zeitalter der Kreuzzüge in den Schatten stellte. Jahrzehnte zuvor hatte sein Schutzherr Nur ad-Din eine über die
Weitere Kostenlose Bücher