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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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waren im Vergleich zu dem, was damals üblich war, die Bedingungen, denen Saladin zustimmte, doch tatsächlich großzügig – und, was wichtiger ist, sie wurden auch als solche gewürdigt.
    Auch in den Verhandlungen mit seinen aristokratischen »Standesgenossen« unter den Franken zeigte sich der Sultan ausgesprochen höflich und gnädig. Balian von Ibelin verzieh er, dass dieser sein Versprechen gebrochen hatte, nicht in Jerusalem zu bleiben, und für Maria [390] Komnena wurde eine Eskorte bereitgestellt, die sie nach Tyros begleitete. Stephanie von Milly, die Witwe Rainalds von Châtillon, wurde ohne Lösegeldforderung freigelassen.
    Die Übergabebedingungen, die um den 30. September herum ausgehandelt wurden, enthielten mehrere interessante Klauseln. Den christlichen Einwohnern von Jerusalem wurde ein Zeitraum von 40 Tagen eingeräumt, in denen sie sich zu einer festgesetzten Summe (zehn Dinare für einen Mann, fünf für eine Frau und ein Dinar für ein Kind) ihre Freiheit erkaufen konnten. Sie erhielten dann sicheres Geleit zu den lateinischen Außenposten in Tyros oder Tripolis und das Recht, ihre persönliche Habe mitzunehmen. Nur Pferde und Waffen mussten zurückgelassen werden. Nach 40 Tagen sollten dann diejenigen, die das Lösegeld nicht zahlen konnten, gefangen genommen werden. Im Großen und Ganzen wurde diese Vereinbarung eingehalten; in Einzelfällen zeigte Saladin sich sogar noch großzügiger. Balian beispielsweise wurde es gestattet, gegen die Zahlung einer Summe von 30 000 Dinaren 7000 Christen freizukaufen, und es scheint auch Versuche gegeben zu haben, für die Armen eine generelle Amnestie auszuhandeln.
    Als die Kapitulationsvereinbarungen dann in Kraft traten, ergoss sich ein nahezu ununterbrochener Strom von Flüchtlingen aus Jerusalem; große Gruppen unbewaffneter Franken wurden in Richtung Küste geleitet. Die Lösegeldregelung scheint sich für die Beamten Saladins zu einem administrativen Alptraum entwickelt zu haben. Imad ed-Din gibt zu, dass Bestechung an der Tagesordnung war, und er beklagt, dass nur ein Bruchteil des geschuldeten Geldes je in der Schatzkammer des Sultans landete. Offenbar schlüpften zahlreiche Lateiner durch das Netz: »Einige Leute wurden an Seilen über die Mauern heruntergelassen, einige im Gepäck versteckt hinaustransportiert, einige verließen als [muslimische] Soldaten verkleidet die Stadt.« Da der Sultan den Franken erlaubt hatte, ihre Habseligkeiten mitzunehmen, verringerte sich auch das Beuteaufkommen. Als der Patriarch Heraklios die Stadt verließ, war er ganz gebeugt von der Last der Reichtümer, die er mit sich führte, doch »Saladin erhob keinen Einspruch, und als man ihm riet, er solle doch all diese Schätze für den Islam beschlagnahmen, erwiderte er, er werde sein Wort nicht brechen. Er nahm von [Heraklios] lediglich die zehn Dinare und ließ ihn gut bewacht nach Tyros abziehen.« Als die vereinbarten 40 Tage vorüber waren, sollen insgesamt 7000 Männer und 8000 Frauen [391] nicht ausgelöst worden sein; sie wurden gefangen genommen und in die Sklaverei geführt. 18
    Alles in allem ging Saladin in jenem Herbst weder mit der Milde eines Heiligen vor, noch kann man ihm vorwerfen, er habe sich barbarisch verhalten oder ein doppeltes Spiel gespielt. Der Sultan zeichnete in der Darstellung jener Ereignisse, die er an die muslimische Welt vermittelte, ein Bild von sich selbst als einem Mudschahid, der willens, ja begierig ist, die Franken in Jerusalem gewaltsam zu vernichten, und es ist unmöglich zu sagen, ob das seiner wahren Absicht entsprach. Als Saladin dann mit den Drohungen Balians konfrontiert wurde, entschied er sich gegen die Gewalt und für Verhandlungen, wobei er sich im Umgang mit den Lateinern bemerkenswert zurückhielt.
    Die triumphale Wiedereroberung Jerusalems war der Höhepunkt von Saladins bisheriger Laufbahn. Nun konnte er auf diese epochale Leistung verweisen, um seine Bemühungen um die Einheit des Islams zu legitimieren und jeglichen Vorwurf eigennützigen Despotentums zurückzuweisen. Diese beiden Themen – der überwältigende Sieg und die damit bewiesene Lauterkeit der Motive – bilden den Grundton seines Briefes an den Kalifen, und sie bestimmen auch die Tendenz der 70 Briefe, die Imad ed-Din in jenem Herbst verfasste, um den Erfolg der Ajjubiden für die Öffentlichkeit darzustellen. 19
    DAS WIEDERGEWONNENE JERUSALEM
    Der Termin für die offizielle Übergabe Jerusalems wurde sehr bewusst gewählt, denn auch damit sollte

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