Die Kreuzzüge
überstehen. Auch Konrad von Montferrat kehrte nach Tyros zurück. An Kampfhandlungen war nicht zu denken, weil der Regen die Ebene zwischen den Gräben der Kreuzfahrer und dem Lager Saladins bei al-Kharruba in eine Schlammwüste verwandelte; es war praktisch unmöglich, auf einem solchen Untergrund anzugreifen. Der Sultan entließ den Großteil seiner Truppen, er selbst blieb an Ort und Stelle, und die Franken zogen sich in ihr Lager zurück, um die nächste Kampfsaison abzuwarten. Sie hofften, Nahrungsmittelknappheit und Seuchen so gut es ging zu überstehen, und steckten ihre gesamte Energie in den Bau von Belagerungsmaschinen.
Baha ad-Din, Saladins vertrauter Berater, berichtet, der Sultan habe nun erkannt, »welche Bedeutung die Franken [. . .] Akkon beimaßen und dass die Stadt das Ziel war, auf das all ihre Pläne ausgerichtet waren«. Er [443] beschloss, vor der Stadt zu überwintern, was klar erkennen lässt, dass er Akkon nun als den entscheidenden Kriegsschauplatz betrachtete. Wenn ihm in den zurückliegenden Herbstmonaten die Courage gefehlt hatte, einen umfassenden Angriff auf das Lager der Kreuzfahrer zu unternehmen, so zeigte er sich nun immerhin entschlossen, die Kampagne nicht abzubrechen. Die beiden Jahre nach dem Sieg von Hattin hatte er damit zugebracht, leichte Eroberungen zu machen und echten Konfrontationen aus dem Weg zu gehen; nun, vor Akkon, hatte er offenbar beschlossen, andere Saiten aufzuziehen, also die Lateiner umgehend vom weiteren Vordringen nach Palästina abzuhalten.
Saladin sah klar voraus, dass im Frühjahr große Belastungen auf Akkon zukommen würden, und er begann daher, »ausreichend Proviant, Vorräte, Ausrüstung und Truppen in die Stadt zu schaffen, damit er das Gefühl haben konnte, dass die Stadt sicher war«. Wahrscheinlich setzte er auch in diesen Wochen Abu’l Haija den Dicken neben Qaragush als militärischen Befehlshaber in der Stadt ein. Sogar die Kreuzfahrer zeigten sich von diesen Maßnahmen beeindruckt, einer von ihnen bemerkte später, es habe »nie eine Festung oder eine Stadt gegeben, die mit so hohen Kosten so viele Waffen, solche Verteidigungsanlagen und so viel Proviant bekam«. Inmitten dieser Geschäftigkeit erlitt der Sultan einen schweren persönlichen Verlust, als sein Freund und scharfsinniger Berater Isa nach einer Krankheit am 19. Dezember 1189 starb. 15
Doch waren die langen Monate mit der durch die Jahreszeit erzwungenen Kampfpause nicht nur eine Zeit grimmiger Blickwechsel und martialischer Vorbereitungen. Eines der letzten lateinischen Schiffe, das im Jahr 1189 eintraf, brachte eine andere Sorte Verstärkung mit: »300 reizende fränkische Frauen, sprühend von Jugend und Schönheit, die von jenseits des Meeres herbeigebracht wurden, damit sie sich hier für die Sünde anboten.« Saladins Sekretär Imad ed-Din beschrieb in einer Mischung aus Empörung und Vergnügen, wie diese Prostituierten, die außerhalb der Stadtmauern von Akkon ihre Dienste feilboten, »mit ihren silbernen Fußspangen ihre goldenen Ohrringe berührten und sich den Pfeilen der Männer als Ziele anboten«. Imad ed-Din musste allerdings auch empört feststellen, dass sogar Muslime »sich wegstahlen«, um in den Genuss ihrer Reize zu kommen.
Ein anderer muslimischer Augenzeuge schildert, wie die christlichen und muslimischen Feinde sich irgendwann »besser kennenlernten, indem [444] sie miteinander sprachen und nicht mehr kämpften. Zeitweise sangen die Leute miteinander, und andere tanzten, so vertraut waren sie miteinander geworden.« Später wird einfach die räumliche Nähe der beiden fest verschanzten Parteien zu dieser Vertrautheit beigetragen haben, denn es hieß von den Muslimen, sie seien »dem Feind auf Sichtweite nahe gewesen [. . .] die Feuer des einen Lagers waren jeweils im anderen sichtbar. Wir konnten ihre Glocken hören, und sie konnten unseren Gebetsruf vernehmen.« Zumindest die Garnison der Stadt verdiente sich den widerwilligen Respekt der Kreuzfahrer, von denen einer bemerkte, dass »es nie ein Volk gab, das sich so gut auf die Kunst der Verteidigung verstand wie diese Günstlinge des Teufels«.
Man darf dieses Bild einer aufkeimenden Nähe und fast freundschaftlichen Vertrautheit nun aber auch nicht überzeichnen. Vor kurzem haben Forscher eine faszinierende lateinische Überblicksliste der von Saladin in Akkon zusammengezogenen Tuppen ausgegraben, die wahrscheinlich während der Belagerung entstand. Dieses Dokument, eine Mischung aus
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