Die Kreuzzüge
König einer ganz unerhörten List, indem er Boten zur Vorhut der Muslime schickte und darum bat, mit al-Adil in Friedensverhandlungen einzutreten.
Der Sultan hatte den ganzen Tag damit zugebracht, auf der Suche nach einem geeigneten Schlachtfeld den Wald und die Ebene südlich davon auszukundschaften, bevor er sich dann eilends in den Norden zurückbegab. Er war so rasch unterwegs, dass bei Einbruch der Dämmerung viele seiner Männer, »die noch im Wald herumirrten, zurückgelassen wurden«. Offenbar begann Saladin die Kontrolle über sein Heer zu verlieren. Als ihm an jenem Abend dann die Nachricht von Richards Anfrage überbracht wurde, stimmte er zu und wies seinen Bruder an, »die Gespräche in die Länge zu ziehen«. Wenn er genügend Zeit hatte, dann konnte er seine Truppen aufstellen und eine Offensive vorbereiten.
Allerdings hatte der König von England seinen Gegner ein weiteres Mal ausmanövriert. Es war nämlich durchaus nicht seine Absicht, in irgendwelche Verhandlungen einzutreten; er hatte um eine Unterredung gebeten, um Saladin hinsichtlich seiner eigenen Pläne in die Irre zu führen, und vielleicht auch, um Einblick in die Pläne und Vorbereitungen auf Seiten der Muslime zu gewinnen. Verabredungsgemäß traf er am Abend des 5. September mit al-Adil zu einer privaten Unterredung zusammen, [502] doch ihr Gespräch war weder ausgedehnt noch freundlich. Der König forderte ganz direkt die Rückgabe des Heiligen Landes und von Saladin den Rückzug in muslimisches Gebiet. Natürlich war al-Adil empört, doch das Gespräch war noch kaum beendet, als Richard seinem Heer befahl, unverzüglich in den Wald von Arsuf weiterzuziehen. Das traf den Sultan völlig unvorbereitet, und da seine Truppen noch nicht aufgestellt waren, war er außerstande zu reagieren. Die meisten Kreuzfahrer waren nicht frei von Furcht, als sie den Wald betraten, »denn es hieß, die Muslime würden den Wald anzünden und ein solches Feuer entfachen, dass das Heer [der Christen] gebraten würde«. Aber das Täuschungsmanöver ihres Anführers war so überzeugend gewesen, dass sie den Wald ungehindert und unversehrt passieren konnten und wohlbehalten am Rochetaille ankamen. Richard ließ seine Truppen am 6. September ausruhen – er gab ihnen vor dem Spießrutenlauf nach Arsuf und darüber hinaus noch ein letztes Mal die Möglichkeit, Atem zu holen. Gleichzeitig suchte der bestürzte Sultan in Gesprächen mit al-Adil fieberhaft nach einer Strategie, mit der die Katastrophe vielleicht noch abzuwenden war. 8
Als Richard am Samstag, dem 7. September, erwachte, muss er gewusst haben, dass der Feind die offene Ebene vor ihnen nutzen wollte, um einen weiteren mörderischen Angriff zu unternehmen. Vielleicht ahnte er auch schon, dass diese Konfrontation größere Ausmaße annehmen würde als die vorige vom 3. September. Für die Kreuzfahrer begann dieser Samstag wie jeder Tag ihres Marsches bisher, seit sie Haifa verlassen hatten: mit der peniblen Aufstellung aller Truppenteile. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das Heer ungefähr 15 000 Mann, 1000 – 2000 von ihnen waren beritten. Ein Kreuzfahrer erinnert sich, dass »Richard, der ruhmreiche König von England, der so viel vom Krieg und vom Heer verstand, die Befehle nach seinen Vorstellungen gab, wer vorn und wer hinten stehen sollte«. Die Templer sollten, wie gewohnt, die Führung übernehmen, ihre Brüder vom Johanniterorden wurden zusammen mit einer starken Gruppe von Bogen- und Armbrustschützen als Nachhut aufgestellt. Die Mitte bestimmte eine Gruppe von Poitevinern, Normannen und Engländern. Heinrich von Champagne befehligte die linke, landeinwärts gewandte Flanke; der König und Hugo von Burgund schließlich führten eine mobile Reserve an, die im gesamten Heer eingesetzt werden und, wo nötig, Schwachstellen verstärken konnte. Wie immer war es das oberste [503] Ziel, die Reihen so eng wie möglich zu schließen und eine dichte Formation zu bilden. Es hieß, dass die Franken, als sie vom Ufer des Rochetaille aufbrachen, »so diszipliniert und so dicht nebeneinander aufgestellt waren, dass ein [in ihre Mitte geworfener] Apfel unfehlbar einen Mann oder ein Pferd getroffen hätte«.
Der Kreuzfahrer und Chronist Ambroise berichtet allerdings, dass die Vorbereitungen an diesem Tag anders abliefen. Danach bereitete der König sein Heer nicht nur auf den Weitermarsch vor, sondern ausdrücklich auf eine Schlacht. Ambroise war im Gefolge Richards in den Orient gekommen, und er verfasste
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