Die Kreuzzüge
aus in Marsch setzten, empfing sie ein furchterregender Anblick: Dort, wo links die bewaldeten Hügel auf die Ebene trafen, hatte Saladin sein gesamtes Heer aufgestellt. In unzähligen Reihen erstreckte es sich vor ihnen, »versammelt wie eine dichte Hecke«, rund 30 000 muslimische Krieger, darunter zahlreiche berittene Kämpfer. Die Franken verfügten über höchstens halb so viele Männer. Ungefähr um 9 Uhr am Vormittag raste die erste Welle von 2000 feindlichen Kämpfern auf sie zu, und die Schlacht begann. Im Lauf des Vormittags schickte Saladin praktisch seine gesamte Streitmacht ins Gefecht, nur eine Eliteeinheit von ungefähr 1000 Mann aus der königlichen Garde hielt er zurück, die er zu einem gezielten Angriff nutzen wollte, sobald sich in der Formation der Lateiner eine Lücke auftat. Stunde um Stunde, in mittlerweile sengender Hitze, marschierten die Christen weiter, während die Muslime unaufhörlich auf sie einstürmten.
Ein Kreuzfahrer beschrieb den ohrenbetäubenden Lärm auf dem Schlachtfeld – das Gewimmel von Männern, die »schrien, heulten und brüllten«, die Trompeten und Trommeln der Feinde, die den entsetzlichen Schlachtrhythmus vorgaben – so dass »man Gott nicht donnern gehört hätte, so groß war der Lärm«. Die Muslime griffen vor allem mit Geschossen an: »Noch nie zuvor fiel Regen oder Schnee oder Hagel im Winter so dicht, wie hier die Bolzen flogen, die unsere Pferde töteten«, erinnert sich ein Augenzeuge, und er fügt hinzu, dass man die Pfeile bündelweise hätte auflesen können wie Korngarben vom Feld. Unter den feindlichen Truppen befanden sich auch Angehörige eines Volkes, das den meisten Kreuzfahrern völlig fremd war: furchterregend schwarze Afrikaner. Ein lateinischer Augenzeuge erklärte, dass sie »›Schwarze‹ genannt wurden – das ist die Wahrheit –, [und sie kamen] aus dem wilden Land, hässlich waren sie und schwärzer als Ruß [. . .] ein sehr schnelles und wendiges Volk«.
Der Horror des unablässigen Angriffssturms an diesem Morgen war schier unerträglich.
Die Franken dachten, ihre Reihen würden aufgebrochen, und sie glaubten nicht mehr daran, dass sie auch nur noch eine Stunde weiterleben und das alles überleben würden; Ihr müsst wissen, dass [einige] Feiglinge nicht anders konnten, als ihre Bögen und Armbrüste von sich zu werfen und [von der Frontlinie weg] in das [506] Heer hinein zu fliehen. [. . .] Keiner war so zuversichtlich, dass er sich nicht von Herzen gewünscht hätte, seine Pilgerreise abzubrechen. 10
Richards oberste Priorität war und blieb in diesem Getümmel, die Truppendisziplin zu wahren und den Marsch nach Arsuf geordnet fortzusetzen. Jede Pause und jede Lücke in der Formation musste tödliche Folgen haben; dabei waren seine Truppen fast unwiderstehlich versucht zurückzuschlagen. Ein Bote aus der Nachhut der Johanniter galoppierte nach vorn und bat um die Erlaubnis, sich zu wehren, doch Richard lehnte ab. Die Formation konnte beibehalten werden, jedenfalls für den Moment. Es zeugt von der Willenskraft des Königs und von seinem Charisma als Heerführer, dass er seine Autorität angesichts einer so extremen Bedrohung durchsetzen konnte. Die Christen waren nun »wie eine Schafherde von wütenden Wolfsrachen umzingelt, sie konnten nichts mehr sehen außer dem Himmel über sich und um sich herum ihre entsetzlichen Feinde«. Dennoch setzten sie ihren Marsch fort.
Als sich die Vorhut der Templer den Gärten in den Außenbezirken von Arsuf näherte, ritt der Großmeister der Johanniter, Garnier von Nablus, selbst nach vorn, um den König ein zweites Mal um die Erlaubnis zum Angriff zu bitten; beschwörend verwies er darauf, wie schändlich solche Untätigkeit sei, doch wieder bekam er ablehnenden Bescheid. Richard gibt in seinem Brief vom 1. Oktober an, dass die ersten Reihen des Heeres nun den Rand von Arsuf erreichten und begannen, »ein Lager aufzuschlagen«. Das bestätigt Baha ad-Din, der berichtet, dass »die ersten Abteilungen der Infanterie [der Christen] die Gärten von Arsuf erreichten«. Damit ist die Annahme widerlegt, Richard habe an diesem 7. September durchgehend irgendeine größer angelegte Strategie verfolgt und seine Truppen nur deswegen zurückgehalten, um sie dann in einer offenen Schlacht richtig zuschlagen zu lassen. Genau wie während seines gesamten Marsches von Akkon her war auch bei Arsuf Richards größtes Anliegen Sicherheit und Überleben. Es fehlte nicht viel, und er hätte sein Ziel erreicht,
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