Die Kreuzzüge
Kreuzzug zusammen bewegte sich das königliche Drachenbanner Richtung Süden, das an einem riesigen, eisenbeschlagenen Fahnenmast befestigt war. Dieser stand auf einer hölzernen Plattform auf Rädern und wurde von einer Elitetruppe bewacht. Das Banner war für alle sichtbar, auch für den Feind (der es mit einem »riesigen Leuchtfeuer« verglich), und solange es über [496] dem Heer flatterte, zeigte es das ungebrochene Überleben der Franken an und half den Männern, ihre Furcht angesichts muslimischer Anschläge im Zaum zu halten. An jenem Sonntag waren Unbeirrbarkeit und Furchtlosigkeit besonders wichtig.
Um nach Haifa zu gelangen, führte Richard den Kreuzzug auf den sandigen Küstenstreifen südlich von Akkon. Saladin hatte, ohne dass es die Lateiner bemerkten, an diesem Morgen (des 25. August) sein Lager abgebrochen, er hatte seinen Gepäcktross in Sicherheit bringen lassen und seinem Bruder al-Adil die Anweisung gegeben, die Stärke und den Zusammenhalt des fränkischen Heereszugs auf die Probe zu stellen. Eine Konfrontation stand bevor. Im weiteren Verlauf des Tages machte sich eine Atmosphäre fast greifbaren Unbehagens unter den langsam sich vorwärtsbewegenden Kreuzfahrern breit. Zu ihrer Linken, in den Dünen, tauchten muslimische Truppen auf, die ihren Vormarsch beschatteten, beobachteten, abwarteten. Dann senkte sich Nebel auf die Marschierenden herab, und Panik breitete sich aus. In dem Durcheinander verlangsamte sich die französische Nachhut, bei der sich auch die Wagen und Karren mit den nötigsten Materialien befanden; der Kontakt zum Rest des Heeres war abgebrochen, und in diesem Moment schlug al-Adil zu. Ein Kreuzfahrer beschrieb den anschließenden muslimischen Überraschungsangriff:
Die Sarazenen jagten heran, sie nahmen sich zuerst die Fuhrleute vor, brachten Männer und Pferde um, raubten große Teile des Gepäcks und hieben auf die Führer [des Konvois] ein, sie schlugen sie in die Flucht und jagten sie in die schäumenden Wellen. Dort kämpften sie so erbittert, dass die Hand eines bewaffneten Mannes namens Evrart [einer der Männer des Bischofs Hubert Walter] abgehauen wurde; der machte darum überhaupt kein Aufhebens, [. . .] sondern nahm sein Schwert in die linke Hand und wich keinen Zoll zurück.
Die Nachhut »war zum Stillstand gebracht«, eine Katastrophe stand unmittelbar bevor, als Richard von dem Angriff erfuhr. Er erkannte, dass er sofort handeln musste, wenn er eine tödliche Umzingelung der Franzosen vermeiden wollte, und ritt also unverzüglich zurück. Ein christlicher Augenzeuge beschrieb, wie der König »gegen die Türken galoppierte, [497] direkt in ihre Mitte hinein, schneller als ein Blitz«, wie er die muslimischen Angreifer mit Waffengewalt zurückzwang und die Nachhut wieder mit dem Hauptteil des Heeres verband. Der Feind zog sich hinter die Dünen zurück und ließ das lateinische Heer erschüttert, aber doch weitgehend unbeschadet zurück. Diese erste Herausforderung hatten sie bestanden, und sie erreichten Haifa entweder in jener Nacht oder am Morgen des nächsten Tages. Dort blieben sie den gesamten 26. und 27. August. 4
Ganz offensichtlich musste der Heereszug der Kreuzfahrer neu aufgestellt werden. In der modernen Forschungsliteratur wurde gerühmt, wie virtuos Richard beim Aufbruch von Akkon die fränkische Marschformation organisiert und aufrechterhalten habe. Dabei wird allerdings übersehen, dass Richard und seine Männer eigentlich erst durch Schaden klug wurden. Ein Kreuzfahrer schrieb, dass die Franken nach den Erfahrungen des 25. August »große Anstrengungen unternahmen und sich klüger verhielten«. Während der König also immer noch abwartete, bis sein Heer sich endlich vollständig versammelte – es trafen nämlich nach wie vor Truppen aus Akkon ein, mittlerweile überwiegend zu Schiff –, organisierte er seine Streitmacht neu. Er reduzierte die Ausrüstung; vor allem die Armen waren mit zu viel »Verpflegung und Waffen« aufgebrochen, deshalb »mussten einige von ihnen zurückgelassen werden, die dann vor Hitze und Durst umkamen«. Gleichzeitig wurde eine wesentlich klarer strukturierte Marschordnung eingeführt, die offenbar für den weiteren Weg in den Süden beibehalten wurde.
Die Kreuzfahrer folgten so weit irgend möglich ihrer Route entlang der Küste, und der Kontakt zur Flotte wurde eher noch verstärkt. Elitetruppen der Templer und Johanniter bekamen die heikle Aufgabe zugeteilt, die Spitze und die Nachhut zu bilden; an der linken
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