Die Kreuzzüge
eigenen und die Truppen Hugos von Burgund mit dem Kreuzfahrerheer in Askalon zu vereinen, damit der heilige Krieg fortgesetzt werden konnte.
Innerhalb weniger Tage kam die Nachricht bei Konrad an, und nach übereinstimmenden Zeugnissen reagierte er mit geradezu ekstatischem Überschwang. Nachdem er nun monatelang in den Kulissen auf seinen großen Auftritt gewartet, immer nur mit Vorsicht und List agiert hatte, gingen seine Träume vom Griff nach der Krone Jerusalems endlich in Erfüllung. Vorbei war die Zeit verstockter Zurückhaltung; unverzüglich begann er mit den Vorbereitungen für einen Feldzug. Außerdem sandte er, ohne dass Richard oder die Franken davon wussten, eine dringende Nachricht an Saladin: Unter den Lateinern sei es zu einer unerwarteten Einigung gekommen; Konrad drohte dem Sultan, wenn dieser nicht »in den nächsten paar Tagen zu einer Einigung [mit Konrad]« gelange, müsse er mit einem ausgewachsenen militärischen Zusammenstoß rechnen. Ein muslimischer Augenzeuge am Hof des Sultans berichtet, Saladin habe diese Botschaft äußerst ernst genommen. In Mesopotamien drohten Aufstände, daher »glaubte der Sultan, [. . .] es sei am besten, mit [531] dem Grafen Frieden zu schließen«, und am 24. April entsandte er Boten nach Tyros, um die Bedingungen auszuhandeln. In den letzten Tagen des April 1192 waren König Richard und Saladin überzeugt, dass sie Wege gefunden hatten, den Krieg um das Heilige Land abzuschließen: der eine durch die Wiederaufnahme von Kampfhandlungen; der andere durch Frieden. Beider Pläne hingen ganz wesentlich von Konrad von Montferrat ab. 12
Am Abend des 28. April begab sich Konrad zum Abendessen in die Residenz des französischen Kreuzfahrers Philipp, Bischof von Beauvais, in Tyros. Sie hatten sich im Lauf des Kreuzzugs angefreundet, und Konrad war in entspannter, feierfröhlicher Stimmung. Als er dann später in der Nacht nach Hause ritt, begleitet von zwei Leibwächtern, kam er an den Wechselstuben vorbei und bog in eine enge Gasse ein.
Dort saßen an beiden Seiten der Gasse zwei Männer. Als Konrad zwischen ihnen hindurchkam, erhoben sie sich und stellten sich ihm in den Weg. Einer kam und zeigte ihm einen Brief, und der Marquis streckte seine Hand aus, um ihn entgegenzunehmen. Der Mann zog ein Messer und stach es ihm in den Leib. Der Mann auf der anderen Seite sprang hinter Konrad aufs Pferd und stach ihn in die Seite, und er brach tot zusammen.
Es stellte sich heraus, dass die beiden Mörder Konrads Mitglieder des Ordens der Assassinen waren und dass Sinan, der alte Mann vom Berge, sie geschickt hatte. Einer wurde sofort enthauptet; der andere gefangen genommen, befragt und dann durch die Straßen geschleift, bis er tot war. Die Verbindung zu den Assassinen stand nun zwar fest, doch weniger klar war, wer hinter dem Anschlag steckte. Hugo von Burgund und die Franzosen in Tyros verbreiteten das Gerücht, König Richard habe die Mörder gedungen, während in einigen Teilen der muslimischen Welt gemunkelt wurde, Saladin sei beteiligt gewesen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse hätte jedoch keiner der beiden Herrscher von Konrads Tod sonderlich profitiert. Was dem Attentat wirklich zugrunde lag, ist nicht mehr zu ermitteln – womöglich handelte Sinan sogar gänzlich unbeeinflusst, um den Grafen aus dem Weg zu räumen, der in seinen Augen vielleicht eine dauerhafte Bedrohung für die Machtbalance in der Levante darstellte. 13
[532] Die politische Situation unter den Lateinern war nun äußerst verworren. Hugo von Burgund versuchte, die Herrschaft über Tyros an sich zu reißen, doch offenbar stellte sich ihm Konrads Witwe Isabella in den Weg, die Erbin des Königreichs Jerusalem. Als nun ein weiterer Ausbruch von internen Streitigkeiten drohte, wurde in aller Eile eine neue Regelung getroffen. Graf Heinrich von Champagne wurde als Kompromisskandidat ausgewählt – er war ein Neffe Richards wie auch Philipp Augusts –; innerhalb einer Woche wurde er mit Isabella verheiratet und zum neuen König über das fränkische Palästina gewählt.
Inwieweit der König selbst an dieser schnellen Lösung beteiligt war, bleibt unklar. Im Großen und Ganzen jedoch kam der neue Stand der Dinge seinen Interessen und denen des dritten Kreuzzugs durchaus entgegen. Mit Heinrichs Ernennung waren endlich sämtliche lateinischen Truppen in Palästina vereint – von den in Outremer ansässigen Franken über die französischen Kontingente Hugos von Burgund bis hin zu den
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