Die Kreuzzüge
und eine zehnprozentige Abgabe auf das päpstliche Einkommen. Der neue Papst ließ außerdem Spendenkassen in den Kirchen ganz Europas aufstellen, in die alle Gläubigen ihren Beitrag zur Unterstützung der Kriegsvorbereitungen einlegen sollten. Und er ließ in diesem Zusammenhang verkünden, dass diese Geldspenden den Wohltätern zu einem Ablass verhelfen würden ähnlich dem, der den tatsächlichen Kreuzfahrern gewährt wurde. Im Lauf der Zeit sollte diese Vorstellung die Kreuzzugsidee grundlegend verändern und weitreichende Konsequenzen für die gesamte Geschichte der römischen Kirche nach sich ziehen.
Innozenz gab offen zu, dass er sich wegen der Bürde seiner Pflichten in Rom unmöglich selbst an die Spitze eines Kreuzzugs setzen könne; stattdessen ernannte er in den Jahren 1198 und 1199 mehrere päpstliche Legaten, die seine Interessen vertreten und den heiligen Krieg beaufsichtigen sollten. Außerdem begrenzte er den Kreis der Personen, die zum Kreuzzug aufrufen durften. Er engagierte den bekannten französischen Prediger Fulko von Neuilly, der den Aufruf verbreiten sollte. Gleichzeitig setzte der Papst ein striktes zeitliches Minimum für künftige Kreuzfahrer fest: Er erklärte, dass der Ablass erst nach einer bestimmten Zeitspanne des Kampfes um das Kreuz verdient war (zunächst betrug diese Spanne zwei Jahre, sie wurde später auf ein Jahr reduziert).
Dies alles vermittelte einen hervorragend effizienten Eindruck. Doch trotz des Schwungs und der Zuversicht des visionären Papstes lösten die vielfältigen Bemühungen lediglich verhaltene Reaktionen aus: Die erhofften Scharen enthusiastischer Kämpfer meldeten sich nicht (obwohl viele Arme das Kreuz nahmen); die Spendenströme in die über alle Kirchen im Abendland verteilten Kassen blieben aus. Die erste Kreuzzugsbulle dieses Papstes hatte zu einer Unternehmung aufgerufen, die im März 1199 aufbrechen sollte, doch kam und verstrich dieser Termin ohne irgendwelche nennenswerten Aktivitäten, und im Dezember 1199 wurde dann ein zweiter Aufruf erlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Papst [564] die Aufsicht über den geplanten vierten Kreuzzug bereits weitgehend verloren.
Das neue Kreuzzugskonzept hatte allerdings auch entscheidende Schwachstellen. Es war von einem absolutistischen Grundton beherrscht und sah nicht vor, dass zwischen der Kirche und den weltlichen Herren irgendeine Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfand. Der Papst hing der Vorstellung an, dass er die Könige und Fürsten der lateinischen Christenheit als Werkzeuge des Willens Gottes schlicht seinem eigenen Willen unterwerfen könne. Das aber erwies sich als ganz abwegig. Seit dem ersten Kreuzzug waren die Aristokraten Europas für die Kreuzzugsbewegung von allergrößter Bedeutung gewesen. Ihr feuriger Enthusiasmus konnte in den sozialen Netzwerken der Verwandtschafts- und Vasallenverbünde wie ein Lauffeuer Anwerbungsschübe anstoßen, und ihre militärische Führungskompetenz vermochte dem heiligen Krieg eine Richtung zu geben. Papst Innozenz hatte sicher gehofft, dass er Ritter, Fürsten und womöglich sogar Könige für seinen Kreuzzug gewinnen konnte, doch sah er in ihnen lediglich gehorsame Marionetten, keine ebenbürtigen Partner oder Verbündeten.
Von Historikern wurde häufig die Meinung vertreten, dass Innozenz die Zahl der gekrönten Häupter beim Kreuzzug bewusst begrenzt habe, doch das stimmt nicht ganz. Zumindest zu Beginn versuchte er, zwischen dem angevinischen England und dem kapetingischen Frankreich einen Friedensschluss zu vermitteln, und er unternahm auch den einen oder anderen Versuch, König Richard I. dazu zu bewegen, das Kreuz zu nehmen. Als dieser dann jedoch im Jahr 1199 starb, lösten sich diese verschwommenen Pläne, die lateinischen Monarchen noch irgendwie in den »päpstlichen Kreuzzug« mit einzubinden, in Luft auf. Nach Richards Tod war sein Bruder Johann zu sehr damit beschäftigt, seine Herrschaft über England und das angevinische Reich zu konsolidieren; für ihn kam eine Teilnahme am Kreuzzug nicht in Frage. Auch König Philipp II. August von Frankreich stellte klar, dass er Europa nicht verlassen werde, bevor die angevinische Nachfolgefrage nicht geklärt war. Und im Heiligen Römischen Reich war eine direkte Beteiligung der Staufer durch den anhaltenden Machtkampf ausgeschlossen. Doch selbst als klar feststand, dass sich aus diesen drei Imperien kein Herrscher beteiligen würde, versuchte Innozenz nicht, andere weltliche Vertreter aus der hohen
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