Die Kreuzzüge
vereinigt und von dem furchtbaren, verderblichen Makel der Häresie gereinigt werden. Außerdem musste die Herde der Gläubigen zu einem tugendhaften Leben angeleitet und geführt werden; man musste ihnen möglichst viele Gelegenheiten bieten, für ihre Sünden zu büßen, damit für sie der Weg zum Heil klar erkennbar wurde. Mit diesen Mitteln war es möglich, die lateinische Welt zu läutern, so dass Gott der Herr der Christenheit dann zum Sieg im Kampf um das Heilige Land verhelfen konnte.
Papst Innozenz war außerdem überzeugt, dass die Kreuzzugspraxis einer gründlichen Überarbeitung bedurfte, und er zog offenbar den Schluss, dass äußere, funktionale Schritte eine geistige Erneuerung nach sich ziehen würden. Daher machte er sich daran, die Organisation und Durchführung des heiligen Krieges weiterzuentwickeln, er wollte die Teilnehmer dazu bringen, die Ausrichtung ihres Handelns zu läutern.
Im Rückblick auf das vergangene Jahrhundert der Kreuzzüge erkannte der Papst drei entscheidende Probleme: Zu viele ungeeignete Menschen (vor allem solche, die nicht kämpften) nahmen das Kreuz; die Unternehmungen waren unterfinanziert; und schließlich fiel die Energie der Kreuzfahrer einem ineffektiven Oberkommando zum Opfer. Natürlich glaubte der Papst zu wissen, wie diese drei Probleme zu beheben waren – die lateinische Kirche würde vortreten, sie würde auf ihr »Recht« verweisen, die Kreuzzugsbewegung anzuführen, und sie würde selbst die Rekrutierung, Finanzierung und Führung in die Hand nehmen. Die Schönheit an diesem Plan bestand für den Papst darin, dass Kreuzfahrer, die in einem solcherart »perfektionierten« heiligen Krieg kämpften, nicht [562] nur bessere Aussichten hatten, Jerusalem vom Islam zu befreien; die Beteiligung der Lateiner an einem solchen Bußakt wäre gleichzeitig eine Buße für ihre Sünden und würde so der ganzen abendländischen Christenheit helfen, auf dem Pfad der Rechtgläubigkeit zu bleiben.
Mit all diesen Vorstellungen machte sich Innozenz daran, kurz nach seiner Inthronisierung zu einem neuen Kreuzzug ins Heilige Land aufzurufen: Am 15. August 1198 erließ er einen Ruf zu den Waffen. Er sah eine ruhmreiche Unternehmung vor sich: Aufruf, Organisation und Durchführung sollten unter seiner päpstlichen Aufsicht stehen, und er war überzeugt, dass ein so gut geplantes und heiliges Unterfangen unweigerlich Gottes Wohlgefallen fände.
Der Aufruf zum Kreuzzug
In seinen ersten Jahren als Papst bemühte sich Innozenz III., den Organisationsapparat der Kreuzzugsbewegung nach Rom zu holen; er hoffte, den heiligen Krieg als Unternehmung zu etablieren, die unter der Leitung des Papsttums stand. In den Jahren 1198 und 1199 führte er zahlreiche Reformen durch, die während seiner gesamten Amtszeit das Rückgrat seiner Kreuzzugspolitik bildeten. Er hat auch den Gedanken des spirituellen Lohnes (des Ablasses) für die Kreuzfahrer neu und klarer formuliert. Denen, die das Kreuz nahmen, wurde die sichere Zusage gemacht, dass »ihre Sünden vollständig vergeben werden«, und sie erhielten die Garantie, aufgrund ihres militärischen Engagements von jeglicher Strafe auf Erden oder im Jenseits freigesprochen zu sein.
Allerdings wurde von ihnen verlangt, dass sie für ihre Übertretungen »Bußfertigkeit in Wort und Gesinnung« zeigen mussten – das heißt, äußere und innere Reue. Die Ablass-Vorstellung dieses Papstes setzte außerdem die reinigende Kraft des heiligen Krieges sorgfältig von den körperlichen Anstrengungen des Menschen ab: Es hieß jetzt nicht mehr, dass die Leiden und Härten, die während eines Kreuzzugs auszuhalten waren, für sich genommen schon der Rettung der Seele dienten; der geistige Ertrag, den der Ablass einbrachte, wurde vielmehr als Gabe dargestellt, die Gott als gerechten Lohn für verdienstvolle Taten gnädig gewährt. Damit wurden die Akzente subtil verschoben, und einige theologische Probleme, die der Kreuzzugsgedanke ursprünglich mit sich gebracht hatte (wie etwa die Beziehung Gottes zum Menschen), konnten [563] ausgeräumt werden. Die Formulierung der Ablass-Idee durch Innozenz wurde Kirchenlehre und blieb während des gesamten Mittelalters und darüber hinaus praktisch unverändert.
Innozenz versuchte zudem ein neues Finanzierungssystem zu etablieren, das die Last der Finanzierung des Kreuzzugs auf die Kirche verlagerte. Dazu gehörte eine Abgabe von einem Vierzigstel auf fast alle Bereiche des kirchlichen Einkommens für die Dauer eines Jahres
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