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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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sich die Beziehungen. Im Januar 1204 glitt dem jungen Kaiser die Herrschaft immer mehr aus der Hand, und er wurde von einem Mitglied der rivalisierenden Familie der Doukas mit dem Spitznamen Murtzurphlos (dem Mann mit den »mächtigen Augenbrauen«) gestürzt und später erwürgt. Trotz der eigenen Differenzen mit dem dahingeschiedenen Kaiser interpretierten die Kreuzfahrer diese Absetzung als Staatsstreich und bezeichneten Murtzurphlos als tyrannischen Usurpator, der nicht länger an der Macht bleiben durfte. Und nun, da sie über den erforderlichen Grund für einen Krieg verfügten, rüsteten sich die Lateiner für einen Großangriff auf die Metropole des Byzantinischen Reiches.
    Am 12. April 1204 fielen Tausende fränkische Ritter über die Stadt [569] her und unterzogen die christliche Bevölkerung in krassem Widerspruch zu ihren Kreuzzugsgelübden einer grauenhaften, drei Tage dauernden Orgie aus Gewalt, Schändung und Raub. Im Verlauf dieser Plünderung wurde der Glanz Konstantinopels ausgelöscht, die Stadt ihrer größten Schätze beraubt – unter ihnen heilige Reliquien wie die Dornenkrone und das Haupt Johannes’ des Täufers. Der Doge Dandalo eignete sich eine imposante Bronzestatue von vier Pferden an und ließ sie nach Venedig bringen, wo sie vergoldet und über dem Eingang des Doms San Marco aufgestellt wurde, ein Wahrzeichen des venezianischen Triumphs. Heute befindet sich die Original-Quadriga im Museo Marciano, und die Pferde über dem Eingang sind durch Kopien ersetzt.
    Die Teilnehmer des vierten Kreuzzugs segelten dann nicht nach Palästina weiter. Stattdessen blieben sie in Konstantinopel und gründeten ein neues lateinisches Reich, das sie Romania nannten. In Anlehnung an byzantinische Bräuche legte der erste Kaiser – Balduin, der Graf von Flandern – aus Anlass seiner Krönung am 16. Mai 1204 die kostbaren, juwelenbesetzten Gewänder des byzantinischen Kaisers an und wurde in der monumentalen Hagia Sophia, dem spirituellen Zentrum der griechisch-orthodoxen Christenheit, zum Kaiser gesalbt. Jenseits des Bosporus, in Kleinasien, gründeten die Angehörigen der griechischen Aristokratie, die den Anschlag auf ihre Stadt überlebt hatten, ihr eigenes Exilreich in Nicäa und warteten auf den Tag der Rache.
    Gründe und Folgen
    Zeitgenössische ebenso wie heutige Kommentatoren haben sich gefragt, was die Teilnehmer des vierten Kreuzzugs bewogen haben mag, die alte Hauptstadt des Byzantinischen Reiches anzugreifen. War das Abweichen vom ursprünglich gesetzten Ziel die letzte Konsequenz eines Prozesses, in dem sich Misstrauen und Antipathie immer weiter ausbreiteten und der die Beziehungen zwischen Byzanz und den Kreuzfahrern bereits das gesamte 12. Jahrhundert hindurch zunehmend geprägt hatte? Schließlich hatte es ja schon unter den Teilnehmern des zweiten Kreuzzugs Stimmen gegeben, die einen Angriff auf die byzantinische Hauptstadt befürworteten, und während des dritten Kreuzzugs war Zypern, eine byzantinische Provinz, gewaltsam eingenommen worden. Vereinzelt findet sich sogar die Auffassung, dass die gesamte Unternehmung lediglich [570] Bestandteil einer komplexen antigriechischen Verschwörung war, dass die Einnahme Konstantinopels also als erklärtes Ziel des Kreuzzugs von Anfang an bewusst angestrebt war. Das allerdings ist doch recht unwahrscheinlich – allein schon deshalb, weil dem gesamten Unternehmen effektive Organisation so völlig abging.
    Tatsächlich bestimmte der wenig durchdachte Vertrag mit Venedig aus dem Jahr 1201 die Richtung des Kreuzzugs, und dass man schließlich vor den Mauern Konstantinopels landete, war das Ergebnis einer Abfolge von ungeplanten, pragmatischen Entscheidungen und zahlreichen Kursänderungen. Doch wenn den Aktionen auch vielleicht kein durchdachter Plan zugrunde lag, so heißt das andererseits nicht, dass die blutige Eroberung Konstantinopels den Venezianern nicht gelegen kam und auch den Plänen einiger Anführer des Kreuzzugs durchaus entsprach.
    Der Kreuzzug machte außerdem mit aller Deutlichkeit klar, dass Innozenz’ III. großes Projekt eines »päpstlichen Kreuzzugs« komplett gescheitert war. Der Gang der Ereignisse zeigte, dass er völlig außerstande war, von Rom aus seine Ziele durchzusetzen. Im Juni 1203, als er erstmals von der Kursänderung in Richtung Konstantinopel erfuhr, hatte er ein Schreiben an die Kreuzfahrer gerichtet, in dem er ihnen ausdrücklich jeden Angriff auf die christliche Metropole untersagte, eine Aufforderung, die

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