Die Kreuzzüge
ergriffen wir bald die Flucht; und das kann nicht erstaunen, denn uns allen war diese Art von Kriegsführung völlig unbekannt.«
Einige Kämpfer mögen geflohen sein, doch erstaunlicherweise konnten Bohemund und Robert ihre Truppen wieder sammeln und ein Übergangslager neben einem Moor aufschlagen. Sie ergriffen nicht ungeordnet die Flucht, sondern hielten ihre Stellung, errichteten eine Verteidigungslinie und warteten auf Verstärkung. Einen halben Tag lang verließen sie sich beim Widerstand gegen den türkischen Angriff auf ihre Überzahl und ihre soliden Rüstungen. Um das Durchhaltevermögen angesichts des Türkenschwarms zu stärken, wurde ein Spruch zur Hebung der Kampfmoral durch die Reihen geschickt: »Bleibt unerschütterlich zusammen, glaubt an Christus und an den Sieg des Heiligen Kreuzes. Heute werden wir alle reiche Beute machen.« Gelegentlich jedoch gelang feindlichen Truppen ein Durchbruch:
Die Türken fielen in großer Zahl über das Lager her, schossen Pfeile von ihren Hornbögen ab und töteten unter den Pilgern Fußsoldaten, Mädchen, Frauen, Kinder und alte Leute; keinen verschonten sie aufgrund seines Alters. Wir waren wie betäubt und außer uns über diese entsetzliche Grausamkeit, und einige zarte, sehr vornehme Mädchen kleideten sich schnell in schöne Gewänder [72] und boten sich den Türken an, um sie durch ihre Schönheit zu bewegen und zu beschwichtigen und bei ihnen Mitleid mit den Gefangenen zu erregen.
Dennoch konnten die Kreuzfahrer ihre Stellung behaupten. Im Mittelalter hing der Erfolg eines Feldherrn sehr stark von seiner persönlichen Überzeugungskraft ab, von der Fähigkeit, seine Leute zum Gehorsam zu motivieren, und es spricht sehr für Bohemund und Robert, dass sie angesichts eines derart aggressiven Feindes in der Lage waren, die Kontrolle über ihre Truppen aufrechtzuerhalten. Nach fünf entsetzlichen Stunden traf die Hauptstreitmacht des Kreuzzugs ein, und Kilidsch Arslan wurde gezwungen, sich zurückzuziehen. Die Zahl der Opfer war groß, möglicherweise wurden 4000 Christen und 3000 Muslime getötet, doch war der Versuch fehlgeschlagen, den Kreuzfahrern ihr Vorhaben zu verleiden. Von diesem Zeitpunkt an ging Kilidsch Arslan ihnen aus dem Weg. Die Seldschuken waren nicht besiegt, doch ihr Widerstand war gebrochen, und nun war der Weg nach Anatolien frei. 17
Kontakte und Eroberungen
Nach der Schlacht von Doryläum sahen sich die Kreuzfahrer auf ihrem drei Monate langen Marsch Richtung Antiochia mit einem anders gearteten Feind konfrontiert. Durst, Hunger und Krankheit suchten sie während des ganzen Sommers des Jahres 1097 heim, als sie an mehreren Ansiedlungen vorbeizogen, die von den Türken aufgegeben worden waren. Ein Chronist berichtet, der Wassermangel habe irgendwann solche Ausmaße angenommen, dass
nicht weniger als 500 Menschen, von quälendem Durst übermannt, starben. Außerdem verdursteten auch Pferde, Esel, Kamele, Maultiere, Ochsen und viele andere Tiere elendiglich. Viele waren von der Anstrengung und der Hitze ganz geschwächt, ihre Münder standen offen, und sie versuchten, auch nur den geringsten Nebelhauch einzufangen, um ihren Durst zu stillen. Als nun jeder so fürchterlich unter dieser Heimsuchung litt, stieß man endlich auf einen Fluss, den alle schon lang sehnsüchtig erwarteten. Als sie darauf zu eilten, wollte jeder aus der Menschenmenge [73] als Erster da sein, hatten sie doch schon so lange darauf gewartet. Sie tranken gierig, ohne aufzuhören, bis viele der so furchtbar Geschwächten, sowohl viele Menschen als auch Lasttiere, daran starben, dass sie zu viel tranken.
Es fällt auf, dass der Tod der Tiere fast genauso detailliert beschrieben wird wie der Tod von Menschen; diese Aufmerksamkeit für Pferde und Packtiere findet sich in sämtlichen zeitgenössischen Quellen. Das Heer war auf die Packtiere angewiesen, um Ausrüstung und Proviant zu transportieren, und die Ritter brauchten ihre Rösser im Kampf. Früher pflegten Historiker den militärischen Vorteil herauszustreichen, der sich für die Kreuzritter daraus ergab, dass sie über größere, stärkere, eben europäische Pferde verfügten, in Wahrheit aber starben die meisten dieser Tiere, bevor das Heer Syrien erreichte. Ein fränkischer Augenzeuge berichtete später, dass aus diesem Grund »viele unserer Ritter sich als Fußsoldaten fortbewegen mussten, und da wir keine Pferde hatten, mussten wir Ochsen als Reittiere benutzen«. 18
Oft gerieten die Kreuzfahrer auch in ganz
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