Die Kreuzzüge
dem fünften Kreuzzug jedoch geriet der neue Kaiser immer mehr unter Druck, seine Gelübde einzulösen und sich am Krieg um das Heilige Land zu beteiligen. Zum Teil ging dieser Druck von der Öffentlichkeit aus, am stärksten jedoch vom Papsttum. Honorius III. war verzweifelt bemüht, ein neues Unternehmen zur Wiedereroberung Jerusalems zu organisieren und sein eigenes Schuldbewusstsein zu beschwichtigen, das ihn wegen des trostlosen Ausgangs der Ereignisse bei Damiette plagte. Zudem war ihm klar, dass Friedrich den Kirchenstaat und damit die Souveränität des Papsttums nun von Süden und von Norden her bedrohte. Im Kreuzzug sah er ein nützliches Mittel, diesen potentiellen Gegner in Schach zu halten.
Stupor mundi
Kaiser Friedrich II. gehört zu den umstrittensten Gestalten des gesamten Mittelalters. Im 13. Jahrhundert wurde er von Anhängern als stupor mundi (das Erstaunen der Welt) gepriesen, seine Gegner jedoch verdammten ihn als die »Bestie der Apokalypse«; und noch heute lebt unter Historikern die Auseinandersetzung weiter, ob er nun ein tyrannischer Despot oder aber ein visionäres Genie war, ein erster Vorläufer der Renaissanceherrscher. Friedrichs äußere Erscheinung – untersetzt, zur Kahlköpfigkeit neigend und kurzsichtig – hatte wenig Einnehmendes. In [604] den 1220er-Jahren jedoch war er der mächtigste Herrscher der christlichen Welt: Römisch-deutscher Kaiser und König von Sizilien.
Immer wieder wird die Meinung vertreten, Friedrich habe ein besonders aufgeklärtes Verhältnis zu Herrschaft, Religion und Philosophie gehabt, mit dem er seiner Zeit weit voraus war, und diese seine revolutionär neue Sicht der Dinge habe er in die Kreuzzugsbewegung eingebracht, womit er den heiligen Krieg und das Schicksal Outremers mit einer einzigen Geste seiner mächtigen Hand umgestaltet habe. In Wirklichkeit war Friedrich nicht ganz so radikal, weder als Monarch noch als Kreuzfahrer. Er wuchs in Sizilien auf, einem Land, in dem auch Araber lebten und Kontakte zu Muslimen eine Selbstverständlichkeit waren. Friedrich war also mit dem Islam vertraut: Er sprach Arabisch, bediente sich einer ihm treu ergebenen Gruppe muslimischer Leibwächter und verfügte sogar über einen Harem. Außerdem war er sehr wissbegierig, interessierte sich für die Wissenschaften und war ein leidenschaftlicher Anhänger der Jagd mit Falken. Mit seinem kulturell so aufgeschlossenen Hof stand er allerdings durchaus nicht allein. Die christlichen Könige von Kastilien waren in dieser Zeit für muslimischen Einfluss wohl noch empfänglicher. Und Friedrich war in seiner Haltung zum Glauben und zum christlichen Dogma durchaus nicht nur tolerant: So unterdrückte er zwischen 1222 und 1224 gewaltsam einen arabischen Aufstand in Sizilien und verfolgte Ketzer in seinem eigenen Reich.
Zeitgenössische und moderne Kritiker haben außerdem bemängelt, dass der neue staufische Kaiser am heiligen Krieg offenbar wenig interessiert war. Doch obwohl er am fünften Kreuzzug nicht teilnahm, sollte er zu gegebener Zeit unter Beweis stellen, dass er von ehrlichem Eifer für die Kreuzzugsidee erfüllt war. Sein Engagement im Kampf um die Herrschaft über das Heilige Land war jedoch geprägt von der festen Überzeugung, dass es ihm bestimmt war, seine kaiserliche Autorität über die gesamte Christenheit auszudehnen. Indem Friedrich sich an die Spitze eines Kreuzzugs setzte, wollte er also einerseits dem gerecht werden, was er für die natürliche Pflicht eines christlichen Kaisers hielt, und andererseits sein ebenso natürliches Recht ausüben, die Heilige Stadt Jerusalem zurückzuerobern und zu beherrschen. 9
[605] Kaiserlicher Kreuzfahrer, König von Jerusalem
Mitte der 1220er-Jahre versuchte Papst Honorius immer wieder, Friedrich zu einem neuen Kreuzzugsgelübde zu verpflichten. Ursprünglich sollte das Heer im Jahr 1225 aufbrechen, doch im März 1224 bat der Kaiser wegen der anhaltenden Unruhen in Sizilien um weiteren Aufschub. Die Geduld des Papstes war nun fast erschöpft, als im Juni 1225 im nordwestitalienischen San Germano eine neue Vereinbarung festgeschrieben wurde. Der Vertrag enthielt mehrere bindende Klauseln: Friedrich sollte ein Heer aus 1000 Rittern aufstellen und zusichern, im Heiligen Land zwei Jahre lang für sie aufzukommen; zusätzlich sollte er 150 Schiffe bereitstellen, um die Kreuzfahrer in den Osten zu bringen, und dem Großmeister des Deutschen Ordens Hermann von Salza (einem treuen Verbündeten der Staufer) 100 000 Unzen
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