Die Kreuzzüge
noch in einer Sänfte unterwegs sein. Von daher fiel König Ludwigs Kreuzzug in eine günstige Periode: Er überschnitt sich mit einer Phase ernsthafter Führungsschwäche bei den Ajjubiden. Nun lag al-Salih zwar im Sterben, doch es gab andere, die begierig darauf warteten, seinen Platz einzunehmen, darunter auch Fakhr ed-Din. Aus diesem Grund hatte der Emir im Frühsommer 1249 so bereitwillig seinen Platz in Damiette geräumt: Ihn trieb die Sorge um, dass er, wenn er sich in ausgedehntere militärische Aktivitäten an der Küste verwickeln ließ, die Gelegenheit verpassen könnte, beim Tod des Sultans an die Macht zu kommen. Über den Ausgang der Ereignisse an der Nilmündung war al-Salih erzürnt. Er scheint den wahren Grund für den Rückzug Fakhr ed-Dins geahnt zu haben, wagte allerdings nicht, einen so bedeutenden Emir öffentlich abzustrafen. Weniger gut ging es den Kinanijja: Der Sultan ließ das gesamte Regiment aufhängen. 8
Diese aufgeheizte Atmosphäre aus Misstrauen, Betrug und Rivalität [632] war lediglich ein Aspekt einer grundlegenden Krise ajjubidischer Herrschaft in der Levante. Nach langen Jahrzehnten der Stärke geriet die von Saladin und seinem Bruder al-Adil begründete Dynastie, belastet durch schwache Führer und gelähmt durch interne Intrigen, immer mehr in einen Sog der Auflösung. Doch das bedeutete nicht, dass die Eroberung Ägyptens oder des Heiligen Landes durch die Franken nicht auf Gegenwehr stoßen sollte. Tatsächlich erhob sich schon jenseits der Träume Fakhr ed-Dins von künftiger Größe eine andere äußerst schlagkräftige Macht: die Mamluken.
Die Schwerter des Islams
Mamluken, Militärsklaven, wurden von muslimischen Herrschern in der Levante schon seit Jahrhunderten eingesetzt, und sie hatten im 12. und 13. Jahrhundert wichtige Funktionen in den Heeren der Zangiden und Ajjubiden. Diese äußerst loyalen, hochprofessionellen Krieger waren das Produkt eines ausgeklügelten Systems aus Sklavenhandel und militärischer Ausbildung. Die meisten Mamluken waren Angehörige von Turkstämmen aus den sibirischen Kyptschaken-Steppen weit oben im Norden, jenseits des Schwarzen Meeres; sie wurden als Jungen (üblicherweise im Alter zwischen acht und zwölf Jahren) von organisierten Sklavenhändlerringen gefangen genommen, an islamische Potentaten im Vorderen Orient verkauft und dort dann im muslimischen Glauben und in der Kunst der Kriegsführung unterwiesen.
Der Ruf der Mamluken beruhte nicht nur auf ihren exzellenten kriegerischen Qualitäten, sondern auch auf ihrer Loyalität. Da ihr Schicksal und ihr Überleben unmittelbar mit nur einem Herrn verknüpft waren, blieben sie diesem einen Herrn meist treu ergeben – eine seltene Eigenschaft im Intrigensumpf mittelalterlicher islamischer Machtpolitik. Im 11. Jahrhundert bemerkte ein seldschukischer Herrscher über ihre außerordentliche Verlässlichkeit, dass »ein gehorsamer Sklave besser [ist] als 300 Söhne; letztere sehnen den Tod ihres Vaters herbei, der Sklave dagegen wünscht seinem Herrn ein langes Leben«. Das klingt befremdlich, doch rührte die Treue der Mamluken auch daher, dass ihre Lebensumstände vergleichsweise angenehm waren: Viele berühmte Mamluken hatten führende Positionen inne und genossen Freiheit und Wohlstand.
Herrscher von Nur ad-Din bis hin zu al-Kamil setzten Mamluken [633] unter anderem als »königliche« Leibwächter und als Befehlshaber auf dem Schlachtfeld ein. Kein Sultan jedoch stützte sich in solchem Ausmaß auf ihre Dienste wie al-Salih. Seit etwa 1240 nahm sein Argwohn hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit seiner übrigen Gefolgsleute und Soldaten stetig zu, und er bediente sich einer sehr viel größeren Schar von Mamluken. Den Kern seiner Truppen bildete ein Regiment aus 1000 Mann, das als die Bahrijja bezeichnet wurde (der Name leitete sich von ihrer Garnison ab, die auf einer Nilinsel in der Nähe von Kairo stationiert war, dieser Ort hieß im Arabischen bahr al-Nil , »das Meer des Nils«). Ein muslimischer Zeitgenosse berichtete, dass die Bahrijja schnell »eine mächtige Streitmacht wurde, außerordentlich kühn und mutig, die den Muslimen sehr große Dienste erwies«. Tatsächlich war die Aufstellung dieser Truppe sowie der weitere Einsatz anderer Mamlukeneinheiten für al-Salih von großem Nutzen. Es dauerte nicht lang, bis sein politisches Überleben vom ständigen Beistand der Bahrijja abhängig wurde. Wenn al-Salih jedoch einmal sterben sollte, war die Treue zu einem ajjubidischen
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