Die Kreuzzüge
veranlasste eine umfangreiche Erneuerung der Festungsanlagen von Akkon, Jaffa, Cäsarea und Sidon. Außerdem stationierte er in Akkon eine ständige Garnison, bestehend aus 100 fränkischen Rittern, die von der französischen Krone mit rund 4000 livres tournois pro Jahr entlohnt wurden.
Bedenkt man den Hang zur Selbstrechtfertigung, wie er für andere prominente Kreuzzugspersönlichkeiten – von Richard Löwenherz bis zu Friedrich II. – kennzeichnend war, dann fällt die Bereitschaft Ludwigs auf, selbst die Verantwortung für die schrecklichen Rückschläge in Ägypten zu übernehmen. Die Gefolgsleute des Königs versuchten alles, um die Schuld auf Robert von Artois abzuwälzen; sie verwiesen darauf, dass auf dessen Beschluss hin im Herbst 1249 der Vormarsch auf Mansourah unternommen wurde, und kritisierten das rücksichtslose Vorgehen des Grafen am 8. Februar 1250. In einem Brief vom August 1250 jedoch lobte Ludwig Roberts Tapferkeit, er bezeichnete ihn als »unseren sehr geliebten und ruhmreichen Bruder ehrenvollen Angedenkens« und brachte seine Hoffnung und Überzeugung zum Ausdruck, dass er »die Krone der Märtyrer« empfangen habe. Im selben Dokument interpretiert der König das Scheitern des Kreuzzugs und seine eigene Gefangennahme als Strafen Gottes, die ihm auferlegt wurden, »wie unsere Sünden es verdienten«. 23
Im April 1254 reiste er dann wieder nach Frankreich zurück. Seine Mutter Blanche war zwei Jahre zuvor gestorben, und das Kapetingerreich war zunehmend vom Zerfall bedroht. Der König kehrte als Verwandelter aus dem Heiligen Land zurück. Sein weiteres Leben war geprägt von äußerster Frömmigkeit und Askese – er trug ein härenes Büßergewand, nahm nur kleine Portionen einfachster Speisen zu sich und betete offenbar ohne Unterlass. Irgendwann erwog er sogar, auf die Krone zu verzichten und in ein Kloster einzutreten. Außerdem begleitete ihn die ständige Sehnsucht, einen weiteren Kreuzzug zu unternehmen, um dadurch vielleicht der Erlösung teilhaftig zu werden.
Der Feldzug nach Ägypten hatte nicht nur das Leben dieses Königs verändert, die Ereignisse am Nil hatten auch einen weiterreichenden Einfluss auf das gesamte lateinische Europa. Der Kreuzzug des Jahres 1250 war mit großer Sorgfalt geplant, finanziert und ausgerüstet worden; die Kreuzfahrer wurden von einem strahlenden Vorbild königlich-christlicher Tugenden angeführt. Und trotzdem stand am Ende eine vernichtende [651] Niederlage. Nach eineinhalb Jahrhunderten fast chronischer Misserfolge im Krieg um das Heilige Land löste dieser jüngste Rückschlag im Abendland eine Welle des Zweifels und der Hoffnungslosigkeit aus. Es gab sogar Menschen, die vom christlichen Glauben abfielen. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als Outremers Stärke weiter schwand und neue, offenkundig unbesiegbare Feinde die Bühne des Orients betraten, waren daher die Aussichten, einen weiteren Kreuzzug unternehmen zu können, wahrhaft düster.
FÜNFTER TEIL
SIEG IM ORIENT
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[655] DER LÖWE VON ÄGYPTEN
A uch über ein halbes Jahrhundert nach Saladins Tod im Jahr 1193 be-
herrschten die Mitglieder seiner ajjubidischen Dynastie den Islam im Vorderen Orient. Saladin hatte über die christlichen Franken in der Levante Tod und Verderben gebracht, Jerusalem zurückerobert und sich dem dritten Kreuzzug unter Richard Löwenherz in den Weg gestellt. Die Ajjubiden jedoch, die ihm nachfolgten, waren vorwiegend in ihre eigenen engstirnigen Rivalitäten verstrickt, sie hatten nichts dagegen, in relativem Frieden in der Nachbarschaft der noch existierenden Kreuzfahrerstaaten zu leben. Muslime und Christen hatten gleichermaßen ein Interesse daran, die für beide Seiten vorteilhaften Handelsverbindungen aufrechtzuerhalten, und so standen also Verhandlungen, Kompromisse und Verträge auf der Tagesordnung. Die muslimischen Herrscher in Damaskus, Kairo und Aleppo sahen sich immer noch als Vorkämpfer des Dschihads, doch richtete sich ihr Kampf nun nach innen und drückte sich in Werken spiritueller Reinigung und religiöser Unterweisung aus. Statt sich im heiligen Krieg zu verausgaben, in der militaristischen Form des Dschihads gegen Andersgläubige, wollten die Ajjubiden hauptsächlich Konflikte begrenzen, denn es war klar, dass aggressive Übergriffe auf die Franken womöglich im Abendland wieder zum Aufruf zu einem gefährlichen Kreuzzug führen würden.
Dieser sorgfältig ausbalancierte modus vivendi sollte gekippt werden, als in der Levante
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