Die Kreuzzüge
zwei neue orientalische Großmächte auftraten: die Mamluken und die Mongolen. Beide verfügten über furchterregende militärische Stärke, die alles bisher in den Kreuzzügen Dagewesene übertraf, und ihr titanischer Zusammenstoß markierte einen tiefen Einschnitt im Schicksal des Heiligen Landes und in der Geschichte der Kreuzzüge. Das lateinische Outremer wurde im Schatten dieser beiden Giganten der dritte, häufig nur noch beiläufige Herausforderer im Kampf um die Herrschaft im Osten.
[656] NEUE MÄCHTE IM VORDEREN ORIENT
Eine neue islamische Dynastie, das Sultanat der Mamluken aus Mitgliedern der Militärelite, griff in Ägypten nach dem gescheiterten Kreuzzug König Ludwigs IX. von Frankreich nach der Macht. In den 1250er-Jahren tobte ein verwickelter Machtkampf: Mehrere Mamlukenführer versuchten, die letzten Spuren ajjubidischer Herrschaft in der Nilregion auszulöschen. Das Eliteregiment der Mamluken, die Bahrijja, wurde 1254 gezwungen, aus Ägypten zu fliehen, nachdem ihr Befehlshaber Aqtay von dem skrupellosen Kriegsherrn Qutuz, dem Anführer einer rivalisierenden Mamlukengruppe, ermordet worden war. Drei Jahre später wurde Schadschar ed-Durr, die Witwe des letzten großen Ajjubiden-Sultans
al-Salih, hingerichtet, und Qutuz übernahm allmählich die Herrschaft über Ägypten, während er offiziell noch im Namen des minderjährigen Marionetten-Sultans al-Mansur Ali regierte.
Gleichzeitig begab sich die Bahrijja unter ihrem Anführer Baibars
ins Exil. Baibars war an der Verschwörung des Jahres 1250 beteiligt gewesen, die zur Ermordung des ajjubidischen Erben Turanshah geführt hatte. Er war groß, dunkelhäutig und entstammte den Kyptschak-Türken, einem harten, kriegerischen Volk aus den sibirischen Steppen; in der Antike wurden sie auch Kumanen genannt. Er soll eine dröhnende Stimme gehabt haben, aber sein hervorstechendstes Merkmal waren seine blauen Augen (in einem Auge fiel ein kleiner, deutlicher weißer Fleck von der Größe eines Nadelöhrs auf). Im Alter von 14 Jahren war Baibars als Sklave gefangen genommen worden, damals begann seine Ausbildung zum Mamluk. Er ging durch die Hand mehrerer Besitzer, bevor er schließlich 1246 in die neue Bahrijja-Truppe von al-Salih aufgenommen wurde. Dort erkannte man rasch seine kriegerische Begabung und seine Führungsqualitäten, und 1250 in der Schlacht von Mansourah kämpfte er gegen die Kreuzfahrer unter König Ludwig.
In der zweiten Hälfte der 1250er-Jahre dienten Baibars und die Bahrijja mehreren unbedeutenden ajjubidischen Emiren, die sich in Syrien, Palästina und Transjordanien verzweifelt an die Macht klammerten. Zu ihnen gehörte auch an-Nasir Yusuf, der offizielle Herrscher von Aleppo und Damaskus – ein Emir aus einer der vornehmsten Familien, Enkel Saladins, und dennoch völlig unfähig, mit den Turbulenzen dieser Epoche gewandelter Loyalitäten und neuer Weltmächte umzugehen. Damals [657] perfektionierte Baibars seine Fertigkeiten als militärischer Befehlshaber, er konnte einige eindrucksvolle Erfolge für sich verbuchen, musste allerdings auch die eine oder andere demütigende Niederlage hinnehmen. Ihm zur Seite stand ein anderer Mamluk, ebenfalls aus dem Volk der Kyptschaken: Qalawun, wahrscheinlich sein bester Freund und Kampfgenosse. Baibars behielt die Ereignisse in Ägypten ständig im Blick. Zweimal versuchte er, in die Nilregion vorzudringen und Qutuz zu entmachten, aber da sein Heer zu klein war, blieb ihm ein Sieg verwehrt.
Vor 1259 hatte Baibars sich als fähiger Befehlshaber mit deutlichem Drang zu Höherem erwiesen, bislang hatte er jedoch noch keine echte Chance bekommen, seine ehrgeizigen Pläne oder seine augenfällige Begabung in die Tat umzusetzen. Diese Gelegenheit sollte sich sowohl für Baibars als auch für das gesamte Mamlukenregime ergeben, als eine neue, verheerende Bedrohung für den muslimischen Orient auftauchte. 1
Um das Jahr 1206 vereinte der Kriegsherr Temüdschin die nomadischen Mongolenstämme der weiten ostasiatischen Steppen und nahm den Titel eines Dschingis (oder Genghis) Khan an (was wörtlich »strenger Herrscher« bedeutet). Dschingis Khan und seine Nachfolger waren besessen von grenzenloser Kriegslust, und sie waren, ausgehend von ihren animistischen Vorstellungen, überzeugt, dass die Mongolen durch göttlichen Beschluss ausersehen seien, die gesamte Welt zu erobern. Mit eisernem Willen verwandelte Dschingis Khan die verfeindeten mongolischen Stämme, die sich alle durch außerordentliche
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