Die Kreuzzüge
gedachte, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um die älteren Verträge mit den Christen unwirksam zu machen, übte daher scharfe Kritik an den Johannitern für ihren Übergriff auf muslimisches Territorium und führte selbst im Mai 1285 einen Feldzug gegen Margat an. Es gelang den Sappeuren der Mamluken, einen der Türme der Festung zum Einsturz zu bringen, und daraufhin gaben die Verteidiger auch die zweite größere Burg ihres Ordens in Syrien auf. Ebenso wie der Krak des Chevaliers wurde auch Margat wieder instand gesetzt und erhielt eine Mamlukengarnison. [697] Im April 1287 bedrohte Qalawun das nördliche Territorium, indem er Latakia einnahm – er behauptete, der »antiochenische« Hafen werde von seinem Vertrag mit Tripolis nicht berührt.
Im Herbst dieses Jahres war Tripolis durch die Nachfolgekrise nach dem Tod Bohemunds VII. geschwächt. Ein Bürgerkrieg brach aus, in dessen Verlauf die Genuesen versuchten, die Herrschaft über die Stadt an sich zu reißen und damit ein neues Handelszentrum im Libanon zu errichten. Das ging schließlich so weit, dass eine rivalisierende Gruppe von italienischen Kaufleuten sich tatsächlich an Qalawun um Hilfe wandte. Der Sultan war natürlich höchst erfreut über diese schöne Gelegenheit, nicht nur eine Invasion in Tripolis zu rechtfertigen, sondern auch die Genuesen davon abzuhalten, Alexandria als wiederaufstrebendes Handelszentrum in den Schatten zu stellen. Er hielt sein Heer also in Kampfbereitschaft. Die Franken setzten ihre kleinlichen Streitigkeiten fort; die Gefahr, die ihnen drohte, entging ihrer Aufmerksamkeit vollständig. Nur Wilhelm von Beaujeu, der Großmeister der Templer – der wahrscheinlich selbst über Informanten innerhalb des Mamlukenreichs verfügte -, erkannte, dass Qalawun sich auf eine ausgedehntere Belagerung vorbereitete, doch seine Warnungen verhallten weitgehend ungehört.
Das Heer der Mamluken sammelte sich am Krak des Chevaliers und bewegte sich dann auf Tripolis zu; am 25. März 1289 begann die Belagerung. Einen Monat lang wurde die Stadt unter Beschuss genommen, am 27. April stürmten die Mamluken Tripolis, und eine blutige Plünderung begann. Hunderte, wenn nicht Tausende Männer wurden massakriert, Frauen und Kinder gefangen genommen. Einige Lateiner konnten auf Schiffen entlang der Küste südwärts fliehen. Andere flüchteten auf
einem kleineren Schiff auf die winzige, direkt vor der Küste gelegene Insel St. Thomas, doch die Soldaten Qalawuns blieben ihnen auf den Fersen und brachten sie um. Ein Edelmann aus Hama, Abu’l Fida, der im Heer der Mamluken kämnpfte, schrieb später: »Nach der Plünderung [der Stadt] begab ich mich in einem Boot zu dieser Insel und fand sie übersät mit verwesenden Leichen; wegen des Gestanks war es unmöglich, dort an Land zu gehen.«
Nach der Einnahme von Tripolis befahl Qalawun, die Stadt bis auf die Grundfesten niederzureißen und in der Nähe eine neue Siedlung aufzubauen; möglicherweise wollte er mit dieser Aktion demonstrieren, [698] dass er jegliche Erinnerung an die Franken auszulöschen gedachte. In den darauffolgenden Wochen ergaben sich die wenigen letzten Außenposten der Grafschaft Tripolis in schneller Folge; der lateinische Gouverneur von Jubail durfte bleiben, allerdings nur gegen Zahlung eines hohen Tributs. Auch Qalawun hatte damit, wie schon Baibars vor ihm, einen ganzen Kreuzfahrerstaat zerstört. Jetzt wandte sich sein Blick in Richtung Süden, zu den letzten Spuren fränkischer Besiedlung in Palästina: auf die Stadt Akkon. Der Sultan begann, eine massive Attacke auf die Hauptstadt des lateinischen Outremer vorzubereiten. 8
1291 – DIE BELAGERUNG VON AKKON
Durch den Schock über die Zerstörung von Tripolis gelangten nun immerhin einige lateinische Christen zu der Erkenntnis, dass eine Katastrophe unmittelbar bevorstand. In Europa bemühte sich Papst Nikolaus IV. nach Kräften, die ehrgeizigen Kreuzzugspläne Gregors X. wiederzubeleben. Er versuchte auch direkt zu helfen, indem er dem lateinischen Patriarchen von Jerusalem 4000 livres tournois zukommen ließ und 13 Galeeren zur Verteidigung Akkons bereitstellte. Im Februar 1290 rief der Papst zu einem neuen Kreuzzug auf – dieser sollte, so die recht optimistische Formulierung, die »völlige Befreiung des Heiligen Landes« bewirken. Der Papst verbot jeglichen kommerziellen Kontakt mit den Mamluken und setzte als Aufbruchstermin den Juni 1293 fest. König Jakob II. von Aragón versprach daraufhin, Truppen in die
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