Die Kreuzzüge
Lateinische Zeugen berichten, dass es zwischendurch einmal zu Übergabeverhandlungen kam. Der Sultan bot den Christen wohl an, mit ihrer beweglichen Habe die Stadt zu verlassen, solange sie noch unbeschädigt war. Doch offenbar lehnte die fränkische Delegation dieses Angebot ab; die Unterhändler befürchteten, König Heinrich werde die Schande einer so bedingungslosen Kapitulation nicht ertragen können.
Während die Mamluken Akkon bombardierten, versuchten sich die Christen – letztlich erfolglos – an einigen Gegenangriffen. Abu’l Fida, der am nördlichen Küstenabschnitt stationiert war, beschrieb, wie »sich ein [lateinisches] Schiff näherte, auf dem ein Katapult befestigt war, das uns und unsere Zelte vom Meer aus beschoss«. Dann versuchten Wilhelm, der Großmeister der Tempelritter, und Otto von Grandson einen kühnen nächtlichen Ausfall ins feindliche Lager; sie hofften, dort Verwirrung zu stiften und eine der riesigen Wurfmaschinen der Mamluken in Brand zu setzen. Der Überfall scheiterte allerdings, als einige Christen über die Befestigungsseile der gegnerischen Zelte stolperten, was die Muslime aus dem Schlaf weckte. Sie warfen sich daraufhin scharenweise [701] ins Getümmel, verfolgten die Franken und erschlugen 18 Ritter. Ein bedauernswerter Lateiner »fiel in die Latrinengrube eines Emirs und seines Gefolges und wurde getötet«. Am nächsten Morgen präsentierten die Muslime dem Sultan stolz die abgeschlagenen Köpfe der von ihnen bezwungenen Feinde. 10
Am 8. Mai waren die Reihen der Mamluken dank der ausgefeiltenStrategie Khalils so nah an die Stadt herangerückt, dass sich an den äußeren Stadtmauern die Sappeure ans Werk machen konnten. Sie nutzten die fortschrittliche Kanalisation der Stadt und erweiterten die nach draußen führenden Abflüsse zu Tunneln. Wie schon während der Belagerung von Akkon durch den dritten Kreuzzug im Jahr 1191 konzentrierten sich die Sappeure auf die Nordostecke der Stadt. Da Akkon mittlerweile jedoch von zwei Mauern geschützt wurde, galt es, zwei Verteidigungslinien zu durchbrechen. Die erste Linie brach beim Königsturm am Dienstag, dem 15. Mai, zusammen; am Morgen danach hatten Khalils Männer diesen Teil der äußeren Verteidigungslinien unter ihrer Kontrolle. In der Stadt kam Panik auf, und man begann, Frauen und Kinder zu Schiff zu evakuieren.
Nun bereitete der Sultan mit seinen Mamluken einen konzentrierten Frontalangriff vor: durch die Bresche am Königsturm auf die innere Mauerlinie und den Verfluchten Turm. In der Dämmerung des 18. Mai 1291 erklang das Signal für den Angriff – das dumpfe Dröhnen der Kriegstrommeln, ein »schrecklicher, furchterregender Lärm« –, und Tausende Muslime stürmten vorwärts. Einige warfen Behälter mit griechischem Feuer, die Bogenschützen schossen Pfeile ab »in einer dichten Wolke, die wie Regen vom Himmel zu fallen schienen«. Die Mamluken brachen, vorangetrieben von der überwältigenden Wucht dieses Ansturms, durch zwei Tore in der Nähe des Verfluchten Turmes ein und begannen, ins Stadtzentrum vorzurücken. Akkons Verteidigungsanlagen waren nun aufgebrochen; die Franken versuchten tapfer, sich gegen den Einbruch zu wehren, aber der Kampf gegen die muslimische Front kam, wie ein Zeuge vermerkte, dem Versuch gleich, sich »gegen eine steinerne Wand« zu werfen. Im Kampfgewühl wurde der Großmeister der Tempelritter Wilhelm von Beaujeu von einem Speer tödlich verwundet. Jean de Villiers, der Großmeister der Johanniter, wurde von einer Lanze zwischen den Schulterblättern getroffen. Schwer verletzt wurde er von den Mauern weggetragen.
[702] Es dauerte dann nicht lang, bis die fränkischen Verteidiger bezwungen waren und die Plünderung der Stadt ihren Anfang nahm. Ein lateinischer Zeuge, der sich damals dort aufhielt, schrieb: »Es war ein fürchterlicher Tag, den keiner je vergessen wird. Die [einfachen Leute] flohen durch die Straßen, sie hielten ihre Kinder im Arm, weinten verzweifelt und flüchteten sich zu den Seeleuten, damit diese sie vor dem Tod retteten«, doch sie wurden verfolgt, Hunderte wurden niedergestreckt, und verlassene Kinder wurden unter den Füßen der Flüchtenden und ihrer Verfolger totgetrampelt. Abu’l Fida bestätigt, dass nach der Einnahme Akkons »die Muslime ungeheuer viele Menschen töteten und einen Riesenberg an Beute zusammentrugen«. Als die Mamluken in die Stadt hineinströmten, versuchten viele verzweifelte Lateiner, auf irgendwelchen Schiffen zu entfliehen, und an
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