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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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erträglicher. Bevor er jedoch von seinem neuen Spielraum als souveräner Herrscher Gebrauch machen konnte, wurde er krank, offenbar nach dem Genuss von Orangen während eines Gastmahls beim muslimischen Emir von Cäsarea. Es gingen Gerüchte um, er sei vergiftet worden, doch höchstwahrscheinlich erkrankte er während eines sogar für levantinische Begriffe glühend heißen Sommers an einer Art Typhus. Am 18. Juli empfing er ein letztes Mal die Sakramente der Beichte und der Kommunion, [134] dann wurde der Kreuzfahrer und Eroberer von Jerusalem im Alter von kaum mehr als 40 Jahren »geborgen und beschützt von einem geistigen Schild [. . .] von dieser Welt hinweggenommen«, so die Worte eines lateinischen Zeitgenossen. Fünf Tage später wurde der Leichnam beigesetzt, und zwar im Andenken an Gottfrieds Rang und seine Taten am Eingang zum Heiligen Grab. 3
    DAS KÖNIGREICH GOTTES
    Der Tod Gottfrieds von Bouillon im Juli 1100 hinterließ das neu entstandene fränkische Königreich von Jerusalem in einem Zustand der Orientierungslosigkeit. Der Wunsch des Verstorbenen war wohl, die Herrschaft über die Heilige Stadt solle an seinen jüngeren Bruder Balduin von Boulogne übergehen, den ersten lateinischen Grafen von Edessa. Allerdings hatte der Patriarch Dagobert nach wie vor eigene visionäre Pläne für Jerusalem; er stellte sich vor, dass die Stadt eine wahre Verkörperung von Gottes Reich auf Erden werden sollte, die Hauptstadt eines Kirchenstaats mit dem Patriarchen an der Spitze. Wäre er in der Zeit von Gottfrieds Hinscheiden dort gewesen, dann hätte sich sein Traum möglicherweise sogar in die Realität umsetzen lassen. Aber er war anderweitig engagiert, nämlich an Tankreds Seite bei der Belagerung des Hafens Haifa. Die Befürworter eines Nachfolgers aus der Familie des Verstorbenen, darunter auch Arnulf von Chocques und Geldemar Carpinel, ergriffen diese Chance: Sie besetzten den Davidsturm (den strategischen Schlüssel zur Herrschaft über Jerusalem) und entsandten Boten in den Norden, die Balduin auffordern sollten, nach Jerusalem zu kommen.
    Die Nachricht traf in Edessa ungefähr Mitte September ein. Der Graf, damals Mitte Dreißig, soll »sehr groß [und] recht ansehnlich« gewesen sein, »mit dunkelbraunem Haar und Bart, [und einer] Adlernase«; eine vorstehende Oberlippe und ein fliehendes Kinn vermochten seine königliche Erscheinung nur unwesentlich zu beeinträchtigen. Bei Balduins Charakter und Veranlagung – seiner unersättlichen Aufstiegs- und Machtgier und seiner Neigung zur Hartherzigkeit – bot die Einladung aus Palästina eine überwältigende Chance. Selbst sein Kaplan Fulcher von Chartres, ein Veteran des ersten Kreuzzugs, musste eingestehen, dass Balduin »ein wenig über den Tod seines Bruders trauerte, sich jedoch [135] mehr über sein Erbe freute«. In den folgenden Wochen regelte Balduin zügig die Angelegenheiten in seiner Grafschaft während seiner Abwesenheit. Um sicherzustellen, dass diese seine erste levantinische Herrschaft in fränkischer Hand und unter seiner Kontrolle blieb, ernannte er seinen gleichnamigen Vetter Balduin von Bourcq (einen wenig bekannten Kreuzfahrer) zum neuen Grafen von Edessa. Dieser scheint damals Balduin von Boulogne als seinen Herrn anerkannt zu haben. 4
    In den ersten Oktobertagen brach Balduin mit lediglich 200 Rittern und 700 Fußsoldaten von Nordsyrien auf; er nahm den Weg über Antiochia und wehrte anschließend einen beträchtlichen Trupp muslimischer Angreifer unter der Führung von Duqaq von Damaskus in der Nähe des »Hundeflusses« (Nahr al-Kalb) im Libanon ab. Als er in Palästina angekommen war, gelang es ihm schnell, Tankred und Dagobert auszumanövrieren, indem er einen seiner engsten Vertrauten, Ritter Hugo von Falkenberg, vorausschickte, damit dieser sich mit den Anhängern Gottfrieds im Davidsturm direkt in Verbindung setzte und einen würdigen Empfang in der Heiligen Stadt vorbereitete. Als Balduin schließlich am 9. November in Jerusalem eintraf, wurde er von einer wahrscheinlich auch von oben instruierten jubelnden Menge aus Lateinern, Griechen und syrischen Christen sowie mit ausgedehnten Feierlichkeiten begrüßt. Angesichts dieser offensichtlichen Demonstration allgemeiner Zustimmung blieb für Dagobert nicht mehr viel Handlungsspielraum. Der Patriarch hielt sich grollend im kleinen Kloster auf dem Zionsberg unmittelbar vor den Toren auf und blieb am 11. November, als Balduin offiziell zum neuen Herrscher über Jerusalem erklärt

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