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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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erklärte er, dass die Franken »im Blut [der Feinde] ritten, das bis zu ihren Knien und dem Zaumzeug der Pferde reichte«. Dieses besonders grausige Bild fand breite Aufnahme und wurde im Lauf des 12. Jahrhunderts in zahlreichen westeuropäischen Darstellungen und Chroniken aufgegriffen. 13
    Der erste Kreuzzug und der Islam
    In Anbetracht der gewalttätigen Eroberungen rief der erste Kreuzzug in der muslimischen Welt nur ein überraschend verhaltenes Echo hervor. Die Menge der arabischen Zeugnisse, die als Reaktion auf den Kreuzzug entstanden, lässt sich mit der wahren Flut von Kommentaren in lateinisch-christlichen Texten überhaupt nicht vergleichen. Die ersten [128] erhaltenen arabischen Chroniken, die auf den Kreuzzug detaillierter eingehen, entstanden erst in den 1150er-Jahren. Und selbst diese Texte, verfasst von dem aus Aleppo stammenden al-Azimi und dem Damaszener Ibn al-Qalanisi, berichten nur relativ knapp über die Ereignisse – es handelt sich um kaum mehr als einen rudimentären Überblick, der die Durchquerung Kleinasiens und die Ereignisse in Antiochia, Marrat und Jerusalem abdeckt, mit gelegentlichen vernichtenden Seitenhieben auf die von den Franken verübten Greueltaten. Dazu gehört ein Kommentar auf die nicht abschätzbare Zahl von Antiochenern, die »getötet, gefangen genommen und versklavt« wurden, als die Stadt Anfang Juni 1098 eingenommen wurde, sowie die Feststellung, dass während der Plünderung der Heiligen Stadt durch die Kreuzfahrer »ein großer Teil [der Bevölkerung Jerusalems] getötet wurde«.
    In den 1220er-Jahren wurde der irakische Historiker Ibn al-Athir mit seiner Kritik etwas deutlicher; er berichtete, dass »die Franken in der al-Aqsa-Moschee mehr als 70 000 töteten, darunter waren viele Imame, gläubige Gelehrte, rechtschaffene Männer und Asketen, Muslime, die ihre Herkunftsländer verlassen hatten, um an diesem erhabenen Ort ein heiliges Leben zu führen«. Dann beschrieb er, wie die Kreuzfahrer den Felsendom plünderten. Er fügte außerdem hinzu, dass im Spätsommer des Jahres 1099 eine Gesandtschaft syrischer Muslime zum Abbasiden-Kalifen in Bagdad kam und ihn um Unterstützung gegen die Franken bat. Es hieß, sie hätten berichtet, wie sehr sie unter den Händen der Lateiner zu leiden hatten, »was alle zu Tränen rührte und die Herzen quälte«, und dass sie während des Freitagsgebets einen öffentlichen Protest formuliert hätten, doch trotz all ihres Flehens wurde kaum etwas unternommen, und der Chronist beschließt seinen Bericht mit den Worten, dass »die Herrscher untereinander uneins waren [. . .], und also wurden die Gebiete von den Franken erobert«. 14
    Wie ist dieses offensichtliche Fehlen eines historischen Interesses am ersten Kreuzzug innerhalb des Islams zu verstehen? In Westeuropa wurde die Unternehmung überall als ein weltbewegender, bedeutender Triumph gefeiert, in der muslimischen Welt des frühen 12. Jahrhunderts jedoch scheint sie noch nicht einmal als kleineres Beben wahrgenommen worden zu sein. In einem gewissen Ausmaß ist das möglicherweise dem Wunsch der islamischen Chronisten geschuldet, die Erwähnung von muslimischen Niederlagen sehr stark einzuschränken, oder vielleicht [129] auch einem generellen Desinteresse von Seiten der islamischen Gelehrten. Dennoch ist es überraschend, dass die meisten zeitgenössischen arabischen Berichte nicht deutlichere Spuren von anti-lateinischen Schmähungen zeigen oder mehr klare Forderungen nach Rache und Vergeltung laut werden.
    Einige wenige isolierte muslimische Stimmen forderten in den Jahren, die unmittelbar auf die Eroberung Jerusalems folgten, eine kollektive Antwort auf den ersten Kreuzzug, darunter mehrere Dichter, deren arabische Verse in spätere Sammlungen aufgenommen wurden. Al-Abiwardi, der in Bagdad lebte und im Jahr 1113 starb, schilderte den Kreuzzug als »eine Zeit der Katastrophen« und verkündete, dass »dies der Krieg ist, und der Ungläubige hält das blanke Schwert in der Hand, bereit, es den Männern in Genick und Schädel zu stoßen«. Ungefähr zur selben Zeit beschrieb der damaszenische Poet Ibn al-Khayyat, der zuvor in Tripolis gelebt hatte, wie die Truppen der Franken »zu einer Sturzflut entsetzlichen Ausmaßes angewachsen« seien. Seine Verse bringen das Bedauern darüber zum Ausdruck, dass die Muslime so schnell bereit waren, sich von christlichen Bestechungsgeldern beruhigen zu lassen, und zudem durch interne Rivalitäten geschwächt waren. Er rief außerdem

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