Die Kreuzzüge
benötigte Streitmacht zur See; im Gegenzug bot er ihnen großzügige Konditionen: ein Drittel jeglicher Beute, die gemacht wurde, und eine halbunabhängige Handelsenklave, die in jeder mit italienischer Hilfe eingenommenen Ansiedlung »durch ewiges, vererbbares Recht« einbehalten werden durfte. Als dieses Abkommen geschlossen war, konnte Balduin endlich in die Offensive gehen.
Sein erstes Ziel, die Stadt Arsuf, hatte im Dezember 1099 einem Angriff von Land her durch Gottfried von Bouillon mutigen Widerstand geleistet. Nun war Balduin in der Lage, sie von See her zu belagern, und nach nur drei Tagen, am 29. April 1101, war die Bevölkerung zu Friedensverhandlungen bereit. Der König zeigte sich großzügig, er garantierte den Bewohnern sicheren Abzug bis nach Askalon, und sie durften so viel von ihrer Habe mitnehmen, wie sie tragen konnten. Dieser Erfolg konnte ohne Verluste auf christlicher Seite verbucht werden.
Sodann richtete Balduin seine Aufmerksamkeit auf Cäsarea, gut 30 Kilometer nördlich. Diese einst geschäftige griechisch-römische Siedlung war in den Jahrhunderten muslimischer Herrschaft in Bedeutungslosigkeit versunken; ihre alten Mauern standen noch, doch die berühmten Hafenanlagen der Stadt waren längst zerstört, und übrig geblieben war lediglich ein kleiner, seichter Hafen. Balduin entsandte eine Delegation zum Emir von Cäsarea und stellte ihn vor die Alternative, entweder zu kapitulieren oder unerbittlich belagert zu werden; doch die muslimischen Einwohner der Stadt wiesen in der Hoffnung, dass Verstärkung [140] von Seiten der Fatimiden nicht ausbleiben werde, nachdrücklich jegliche Vorstellung einer Übergabe auf Verhandlungsbasis von sich. In Arsuf hatte der lateinische König gegenüber einem unterwürfigen Feind Milde walten lassen; hier, angesichts derart unverschämter Halsstarrigkeit, statuierte er ein grausames Exempel. Um den 2. Mai 1101 herum zog er seine Truppen zusammen und begann Cäsarea mit Katapulten zu beschießen. Die Garnison der Stadt leistete 15 Tage lang erbitterten Widerstand, doch dann gelang es den fränkischen Truppen, die bröckelnden Verteidigungsanlagen der Stadt mit Hilfe von Sturmleitern zu überwinden. Balduin gab nun seinen Truppen die Erlaubnis, ihre gesamte ungehemmte Wut an der entsetzten Bevölkerung von Cäsarea auszulassen. Christliche Truppen durchkämmten die Stadt, Straße für Straße, Haus für Haus; sie kannten keine Gnade, schlachteten den Großteil der männlichen Bevölkerung ab, nahmen Frauen und Kinder als Sklaven gefangen und plünderten alles, was ihnen unterkam. Ein lateinischer Beobachter schrieb:
Wie viel an Gütern verschiedenster Art dort aufgetrieben wurde, kann unmöglich gesagt werden, allerdings wurden viele unserer Männer, die zuvor arm gewesen waren, reich. Ich sah, dass sehr viele Sarazenen, die getötet worden waren, auf einem Haufen zusammengeworfen und verbrannt wurden. Der grauenhafte Gestank ihrer Leichen störte uns sehr. Diese armen Teufel wurden verbrannt, damit man die Goldmünzen fand, die einige von ihnen verschluckt hatten.
Solche Greueltaten hatte die Levante seit der Plünderung der Heiligen Stadt im Jahr 1099 nicht mehr erlebt. Der erbeutete Reichtum war beträchtlich – allein die Genuesen konnten, nachdem sie ihr vereinbartes Drittel erhalten hatten, an jeden ihrer 8000 Mann 48 solidi aus dem Poitou und zwei Pfund wertvolle Gewürze verteilen; außerdem trugen die erbeuteten Reichtümer auch viel zur Aufstockung des königlichen Schatzhauses bei. Dazu erhielten die Italiener eine smaragdgrüne Schale, den Sacro Catino , von dem einst angenommen wurde, es handle sich um den Heiligen Gral. Das Gefäß befindet sich noch heute in der Kathedrale San Lorenzo in Genua. Balduin I. legte schließlich noch Wert darauf, den Emir und Kadi (Richter) von Cäsarea zu verschonen, um ein ordentliches [141] Lösegeld einzutreiben. Ein Kleriker, der ebenfalls Balduin hieß und bekannt dafür war, dass er sich vor dem Aufbruch des ersten Kreuzzugs ein Kreuz auf die Stirn hatte brennen lassen, wurde dann als neuer lateinischer Erzbischof von Cäsarea eingesetzt. 7
Diese Eroberung vermittelte den verbleibenden muslimischen Ansiedlungen in Palästina eine deutliche Botschaft: Widerstand war gleichbedeutend mit Vernichtung. Es dauerte nicht lang, bis diese Vorstellung den Weg zur bedeutendsten Eroberung in Balduins früher Regierungszeit ebnete. Im April 1104 begann der König mit der Belagerung der Hafenstadt Akkon gut 30
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