Die Kreuzzüge
die ersten Kreuzfahrer schwer gedemütigt worden. Da sich allerdings der Hafen Askalon, ein entscheidendes Verbindungsglied zwischen Palästina und Ägypten, nach wie vor in der Hand der Fatimiden befand, stand die Tür für einen Gegenangriff auf das Königreich Jerusalem offen.
Die Schlachten von Ramla
Im Mai 1101, kurz nachdem Balduin Cäsarea gewaltsam unterworfen hatte, trafen Nachrichten von einer ägyptischen Invasion ein. Al-Afdal hatte eine gewaltige Streitmacht entsandt, die sich jetzt unter dem Befehl eines seiner führenden Generäle, dem ehemaligen Statthalter von Beirut Sa’ad al-Daulah, in Richtung Jerusalem bewegte. Balduin eilte in den Süden, doch statt die offene Schlacht zu suchen, entschied er sich dafür, in der relativen Sicherheit von Ramla seine Stellung zu halten und den nächsten Schritt der Fatimiden abzuwarten. In den folgenden drei Monaten belauerten beide Seiten einander; Sa’ad wartete in Askalon den richtigen Moment für einen Angriff ab, während Balduin besorgt die Gegend zwischen Jaffa und Jerusalem überwachen ließ. Schließlich, in der ersten Septemberwoche, als sich die Kampfsaison ihrem Ende zuneigte, rückten die Ägypter vor.
Balduin verzichtete auf defensives Stillhalten und beschloss, den Feind frontal anzugreifen. Er ordnete umgehende Mobilisierung in Jaffa an. Da ihm nur eine besorgniserregend geringe Zahl von Kriegern zur Verfügung stand, war das eine tapfere Entscheidung. Er hatte zwar Truppen aus dem gesamten Königreich zusammengerufen und befohlen, dass wirklich jeder Adlige sich bewaffnen sollte, dennoch verfügte er über lediglich 260 Ritter und 900 Fußsoldaten. Für die Stärke der muslimischen Truppen gehen die lateinischen Schätzungen weit auseinander – sie bewegen sich zwischen 31 000 und 200 000 Mann – und scheinen stark übertrieben zu sein. Von arabischer Seite gibt es keine Angaben, aber höchstwahrscheinlich waren die Franken in jenem Herbst bei weitem in der Minderzahl. Am 6. September marschierten die Christen von Jaffa los, offenbar verzweifelt entschlossen, die Fatimiden auf der Ebene südlich von Ramla abzufangen. Unter ihnen befand sich auch der Kaplan des Königs, Fulcher von Chartres, der später schrieb, dass »wir uns ernsthaft darauf vorbereiteten, um der Liebe [Christi] willen zu sterben«; Trost [147] getötet. Ein lateinischer Zeitgenossespendete ihnen die Anwesenheit der Reliquie vom Heiligen Kreuz, die sie inmitten des Heeres mit sich führten.
Die Atmosphäre in der Morgendämmerung des folgenden Tages vibrierte nur so von Reminiszenzen an den ersten Kreuzzug. Die Streitmacht Sa’ad al-Daulahs war »in der Ferne [. . .] glitzernd in der Ebene« auszumachen, und offenbar fiel der König vor dem Wahren Kreuz auf die Knie, beichtete seine Sünden und empfing die heilige Kommunion. Fulcher erinnert sich an den mitreißenden Aufruf des Königs zum Kampf:
Wohlan denn, Soldaten Christi, seid guten Mutes und fürchtet nichts, [sondern] kämpft, ich beschwöre euch, um das Heil eurer Seelen [. . .]. Wahrhaft selig seid ihr, wenn ihr hier erschlagen werdet. Das Tor zum himmlischen Königreich steht bereits jetzt für euch offen. Wenn ihr überlebt als Sieger, wird euch glänzender Ruhm unter den Christen zuteil. Solltet ihr jedoch fliehen wollen, dann vergesst nicht, dass der Weg nach Frankreich sehr weit ist.
Damit begannen die Franken vorwärtszustürmen und den Kampf gegen die Ägypter, die in fünf oder sechs Abteilungen angetreten waren, aufzunehmen. Balduin ritt sein leichtfüßiges Streitross mit dem passenden Namen Gazelle, er führte eine Reservetruppe an, die in dem Moment angreifen sollte, wenn sich die Reihen der Kämpfer zu lichten begannen. Fulcher von Chartres befand sich ständig in der Nähe seines Königs und erinnerte sich später an den Schrecken und das Chaos im Verlauf der Schlacht: »Die Anzahl der Feinde war so gewaltig und sie überrannten uns derart schnell, dass kaum jemand den anderen mehr erkennen konnte.« Die lateinische Vorhut war bald bezwungen; unter den Erschlagenen befand sich auch Geldemar Carpinel, und das gesamte Heer wurde umzingelt.
Als eine Niederlage der Christen schon unumgänglich schien, setzte Balduin, neben sich das Wahre Kreuz, seine Reservetruppe in Bewegung. Unter der Gewalt seines Angriffs wich eine Reihe fatimidischer Kämpfer nach der anderen. Fulcher beobachtete, wie der König selbst einen führenden ägyptischen Emir mit seiner Lanze durchbohrte, und ein großer Teil des
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