Die Kreuzzüge
belagert, von See her durch eine ägyptische Flotte von 30 Schiffen, die von Askalon aus Richtung Norden aufgebrochen waren. Der König entrollte auf seinem Schiff kühn seine königliche Standarte, um der Garnison Jaffas Mut einzuflößen; er erreichte den Hafen von Jaffa, wobei er der fatimidischen Flotte nur knapp entkam. Und es erwarteten ihn düstere Nachrichten, als er an Land ging.
Jaffa stand kurz vor der Kapitulation. Niemand wusste, wo sich der König befand und was mit seinem Heer bei Ramla geschehen war; die Stadt befand sich von allen Seiten fest im Griff des Feindes, die Bürger waren also bereits in einer verzweifelten Notlage. Und dann griff Sharaf al-Ma’ali noch zu einem gemeinen Trick: Gerbod von Windeke sah zu seinen Lebzeiten dem König wohl recht ähnlich. Nun verstümmelten die Muslime seine Leiche, trennten Kopf und Beine vom Rumpf, hüllten den grausigen Rest in königlichen Purpur und stellten alles vor den Mauern Jaffas zur Schau. Sie erklärten Balduin für tot und forderten die sofortige Übergabe der Stadt. Viele, darunter auch die Königin, die sich auch diesmal wieder in Jaffa befand, fielen auf diesen Trick herein und begannen, ihre Flucht zu Schiff aus der Hafenstadt zu planen. Genau in diesem Augenblick tauchte von Norden her Balduins Schiff auf. Diefügte, [152] ging er zum sofortigen Gegenangriff auf die schlechtrechtzeitige Ankunft des Königs flößte den Bewohnern Jaffas neue Hoffnung ein und scheint Sharafs Angriffslust erschüttert zu haben. Der Großteil des fatimidischen Heeres zog sich nun aus der unmittelbaren Nähe der Stadt in Richtung Askalon zurück, offenbar um Belagerungsmaschinen für einen Generalangriff vorzubereiten. Dies verschaffte den Franken eine unschätzbare Atempause, in der sie ihre Truppen neu aufstellen konnten.
Balduin war rechtzeitig zur Rettung Jaffas eingetroffen, doch an den Ereignissen in Ramla konnte er nichts mehr ändern. Am Morgen nach seiner Flucht stürmten muslimische Truppen die Stadtmauern Ramlas und umzingelten den Festungsturm, in den sich die Männer aus Balduins Gefolgschaft zurückgezogen hatten. Die Ägypter bestürmten das alte Gemäuer, untergruben seine Mauern und legten Feuer, um seine Besetzer auszuräuchern. Am 19. Mai befanden sich die eingeschlossenen Franken in einer hoffnungslosen Zwangslage; der König hatte sie aufgegeben, die Niederlage war unausweichlich, und so beschlossen sie, nach den Worten eines lateinischen Zeitgenossen, »lieber unterzugehen, während sie sich tapfer verteidigten, als zu ersticken und einen elenden Tod zu sterben«. Sie griffen vom Turm aus an, stürzten sich in ein selbstmörderisches letztes Gefecht und wurden sofort bis fast auf den letzten Mann abgeschlachtet. Einer der wenigen, die überlebten, war Konrad, der Marschalk aus Deutschland, der jeden erschlug, der in die Reichweite seines Schwerts kam, und mit solchem Ingrimm kämpfte, dass er schließlich der Letzte war, der umringt von Toten und Sterbenden noch Stand hielt. Das machte auf die fatimidischen Truppen einen so tiefen Eindruck, dass sie ihm anboten, sich auf das Versprechen hin zu ergeben, dass sein Leben geschont und er als Gefangener nach Ägypten geführt würde. Konrad ließ viele zurück, denen ein weniger günstiges Schicksal beschieden war, unter ihnen auch Stephan von Blois, dessen Tod in Ramla endlich den schmachvollen Ruf von ihm nahm, der ihn seit seinem feigen Verhalten vor Antiochia vier Jahre zuvor verfolgt hatte.
Die Katastrophe von Ramla sollte sich als der Tiefpunkt der fränkischen Geschichte jenes Jahres erweisen. Anfang Juni 1102 versammelte Balduin Truppen aus dem gesamten Königreich, darunter auch ein Kontingent aus Jerusalem, das die Reliquie, das Wahre Kreuz, mit sich führte. Seine Truppen wurden zusätzlich durch die Ankunft einer größeren Pilgerflotte verstärkt. Nun, da er über ausreichend Schlagkraft verfügte, ging er zum sofortigen Gegenangriff auf die schlecht vorbereiteten Ägypter über. Die Unentschlossenheit ihres Anführers Sharaf hatte unter den ägyptischen Truppen bereits zu einer gewissen Unzufriedenheit geführt; als sie sich dann diesem plötzlichen fränkischen Angriff gegenübersahen, waren sie schnell auf und davon. Es gab auf muslimischer Seite kaum Todesopfer, und man hatte auch kaum Beute gemacht – einige Kamele und Esel –, doch jedenfalls war das Königreich der »Kreuzfahrer« gerettet worden. 12
Zwischen Ägypten und Damaskus
In diesen gefahrvollen, entscheidenden
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