Die Kreuzzüge
muslimischen Heeres wandte sich zur Flucht. Wahrscheinlich wurde während dieses Überraschungsangriffs auch Sa’ad al-Daulah getötet. Ein lateinischer Zeitgenosse ist überzeugt, dass der Sieg durch ein Wunder in Verbindung mit dem Wahren Kreuz herbeigeführt wurde: Ein muslimischer Befehlshaber sei erstickt, als er gerade im Begriff war, den Bischof anzugreifen, der die Reliquie trug. Diese Geschichte scheint wie ein Lauffeuer durch die Reihen der Kämpfenden gegangen zu sein und trug mit Sicherheit zur ständig zunehmenden Verehrung des Kreuzes bei, doch in Wirklichkeit stand der Ausgang des Zusammentreffens auf Messers Schneide und führte zu keinem eindeutigen Resultat. Fulcher schreibt, das Schlachtfeld sei mit Waffen, Rüstungen und den Leichen von Muslimen und Christen übersät gewesen, er schätzt die Verluste der Feinde auf 5000 Mann und verschweigt auch nicht, dass auf fränkischer Seite 80 Ritter und eine größere Zahl Fußsoldaten getötet wurde. Und während es Balduin gelang, die Kontrolle über die Ebene sowie über die sich auflösenden Abteilungen der fatimidischen Streitkraft zu behalten, die sich in Richtung Askalon aus dem Staub machten, strebten gleichzeitig Überlebende der lateinischen Vorhut in panischem Schrecken zurück in Richtung Jaffa, unerbittlich verfolgt von muslimischen Truppen, die ihrerseits glaubten, den Sieg davongetragen zu haben.
Die Verwirrung war so groß, dass zwei Franken, die der Schlacht entkommen waren, tatsächlich von einer Niederlage sprachen, als sie in Jaffa eintrafen, »sie behaupteten, der König und alle seine Männer seien tot«. Ein Trupp von 500 fatimidischen Kämpfern näherte sich dem Hafen, was Balduins schockierte Königin, die zu dieser Zeit in Jaffa residierte, veranlasste, schnell einen Botschafter mit dem Schiff Richtung Norden nach Antiochia zu entsenden und Tankred um Hilfe zu bitten. Zum Glück für die Franken lehnten die Bewohner Jaffas eine unverzügliche Übergabe der Stadt ab, und am darauffolgenden Tag traf König Balduin, der als Zeichen seines Sieges die Nacht auf dem Schlachtfeld verbracht hatte, an der Küste ein. Auf den ersten Blick hielten die zurückgebliebenen ägyptischen Soldaten vor Jaffa das herannahende Heer für die eigenen Männer und ritten ihnen voller Wiedersehensfreude entgegen; als sie ihren Irrtum einsahen und erkannten, wie furchtbar sich das Blatt gewendet hatte, ergriffen sie die Flucht. Sofort wurde ein zweiter Bote mit der beruhigenden Nachricht in den Norden gesandt, der König sei am Leben und habe gesiegt. 11
Mit einer Mischung aus strategischer Kunst und Glück hatte Balduin [148] wider alle Erwartungen die Oberhand behalten, doch jegliche Form von Siegestrunkenheit oder das Gefühl, man könne sich nun in Sicherheit wiegen, war nur von kurzer Dauer. Ägypten war so reich, dass es al-Afdal praktisch unmittelbar danach gelang, eine zweite Invasion in Palästina zu finanzieren. Mit dem Anbruch des Frühjahrs 1102, dem Beginn einer neuen Kampfsaison, versammelte sich ein weiteres fatimidisches Heer in Askalon, diesmal unter dem Befehl von al-Afdals Sohn, Sharaf al-Ma’ali. Im Mai setzten sich die Ägypter erneut in Richtung Ramla in Marsch, lieferten sich ein schnelles Scharmützel mit den 15 Rittern, die den kleinen Festungsturm bewachten, und verwüsteten die Kirche St. Georg im nahegelegenen Lydda.
Balduin I. hielt sich zu dieser Zeit in Jaffa auf; er verabschiedete die letzten Teilnehmer des unglückseligen Kreuzzugs von 1101, die kürzlich in Jerusalem Ostern gefeiert hatten. Wilhelm von Aquitanien konnte zu Schiff zurück in den Westen segeln, doch Stephan von Blois, Graf Stephan von Burgund und viele andere hatten weniger Glück: Kaum hatten sie Segel gesetzt, gerieten sie in ungünstige Winde und waren gezwungen umzukehren. Daher befanden sie sich beim König, als die Gerüchte von dieser neuerlichen ägyptischen Offensive um den 17. Mai herum eintrafen. Balduin traf nun die fatalste Entscheidung seines Lebens. Er war der Meinung, dass sich die Botschaft aus Ramla lediglich auf die Anwesenheit eines kleinen fatimidischen Überfallkommandos, nicht aber eines ausgewachsenen Heeres bezog, weshalb er entschied, einen raschen Vergeltungsschlag zu führen. Zusammen mit seinem Hofstaat und einer Handvoll Kreuzfahrern – darunter den beiden Grafen Stephan, Hugo von Lusignan und Konrad, dem Marschalk aus Deutschland – ritt er aus Jaffa heraus, offenbar überschäumend von Siegesgewissheit. Sein kleines
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