Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
möglich?«
»Vielleicht hast du ja für mich gebetet«, scherzte Keb mit vollem Mund.
Zum Lachen war jedoch niemandem zumute. Kebs Erscheinen war ein wahres Wunder. Angesichts ihrer fassungslosen Mienen wurde er gleich wieder ernst.
»Ich habe mich schon immer schnell von Krankheiten und Verletzungen erholt. Muss angeboren sein.«
Unter den staunenden Blicken der anderen stopfte er sich ein weiteres Brot in den Mund. Dann sah er kurz zum Bullauge hinüber und wandte sich an Amanon. »Wo sind wir?«, fragte er. »Wohl nicht mehr im Hafen, was?«
Seine Frage brach den Bann, und endlich konnten sich alle über seine Heilung freuen.
Er selbst wunderte sich weder darüber, dass sie vor der Küste von Ji ankerten, noch über den Ausgang des Kampfes im Hafen von Lorelia. Nolan wiederholte seinen nächtlichen Bericht, während Keb ungerührt weiter aß und ab und zu nickte. Dann erzählte ihm Amanon, zu welchen Schlüssen sie gekommen waren. Nur Bowbaqs Bemerkung über Sombres einstige Emaz ließ er unter den Tisch fallen. Sollte der Wallatte die Anspielung auf seine Mutter gehört haben, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
Nachdem er mindestens so viele Brote wie Bowbaq verschlungen hatte, streckte sich Keb wie ein Raubtier. Als sich daraufhin der rote Fleck auf seinem Verband vergrößerte, verzog er das Gesicht.
»Ihr Kindskopf, könnt Ihr Euch nicht schonen?«, schimpfte Eryne. »Ihr legt Euch jetzt sofort wieder hin!
Nolan, komm mit und zeig mir, wie man diesen Verband wechselt.« Keb ließ sich mit belustigter Miene von den beiden Loreliern zur Kajüte führen. Ob seine Tapferkeit nun echt oder gespielt war, besonders schmerzempfindlich schien er jedenfalls nicht zu sein.
Seine Zähigkeit war ihnen nicht ganz geheuer. Sie hatten nicht vergessen, dass Keb Saats Sohn war, der Sohn eines Mannes, der dank schwarzer Magie zwei Jahrhunderte lang gelebt hatte.
Da Keb wieder gesund und munter war, sahen die Erben keinen Grund, die Überfahrt zur Insel noch länger aufzuschieben. Eryne wurde bei dieser Aussicht angst und bange, aber sie war bemüht, es nicht zu zeigen. Ihren Gefährten erging es vermutlich nicht anders, abgesehen von Niss vielleicht, deren Miene unergründlich blieb. Seit dem Morgen versuchte Eryne, Niss eine Regung zu entlocken. Ein paar freundliche Worte hier, eine beiläufige Frage oder ein aufmunterndes Lächeln dort - nichts schien zu wirken. Das Mädchen interessierte sich nur für zwei Passagiere an Bord: ihren Großvater und Cael, was Eryne stutzig machte. Zwar waren die beiden die einzigen Jugendlichen an Bord, aber sie hatte immer noch den rätselhaften Zwischenfall vor Augen, bei dem sich die beiden im stummen Kampf gegenübergestanden hatten.
Eryne wusste nicht, was sie davon halten sollte. Jedes Geschehen, das etwas mit übersinnlichen Phänomenen zu tun hatte, jagte ihr Angst ein, vor allem nach der Lektüre von Corenns Tagebuch. Dennoch war sie fest entschlossen, persönlich über das Wohlergehen der kleinen Niss zu wachen, der einzigen anderen Frau an Bord. Nach ihrer eigenen Morgentoilette half sie ihrer Zimmergenossin deshalb beim Ankleiden.
Nach zwei Dezimen führte Eryne Niss ihren Freunden vor, die sich an Deck aufhielten. Beim Anblick seiner Enkelin erhellte sich Bowbaqs Gesicht, Nolan und Amanon machten ihr Komplimente, und selbst Keb ließ sich zu einem anerkennenden Nicken herab. Cael klappte der Mund auf, bevor er sich zusammenriss und ein gleichgültiges Gesicht aufsetzte. Er war zu verlegen, um auch nur ein Wort herauszubringen. Eryne war stolz auf das Ergebnis ihrer Mühen, auch wenn sie eigentlich nicht Besonderes getan hatte. Die Frisur war unzweifelhaft ihr größter Erfolg: Sie hatte Niss das Haar mit einem schmalen Tuch zurückgebunden und es mit zwei Spangen festgesteckt, so dass ihr hübsches Gesicht zum Vorschein kam, das bisher immer von einem dichten Vorhang aus Haarsträhnen verdeckt gewesen war. Außerdem hatte sie in ihrem umfangreichen Gepäck ein Hemd gefunden, das sie dem Mädchen geliehen hatte. Mit den hochgekrempelten Ärmeln und dem Gürtel, den Niss über dem Hemd um die Taille trug, sah sie aus wie eine kleine Piratin. Jedenfalls stand ihr das Hemd viel besser als die dunklen Kittel und grobmaschigen Leibchen, die sie sonst an hatte. Im Handumdrehen hatte Eryne ein eher unscheinbares Kind in eine hübsche junge Dame von dreizehn Jahren verwandelt. Ihr schönster Lohn war das Lächeln auf dem Gesicht ihres Schützlings.
»Wie schön«,
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