Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
sagte Bowbaq immer wieder und bekam vor Rührung ganz feuchte Augen. »Nai'ok, du … Du siehst aus wie deine Großmutter, als sie in deinem Alter war.«
Er packte Eryne an den Schultern und drückte ihr zwei dicke Schmatzer auf die Wangen. Obwohl sie für derlei Zuneigungsbekundungen eigentlich nicht viel übrig hatte, freute sie sich, ihn so glücklich zu sehen.
»Wie sie uns bemuttert!«, spottete Keb und erntete das ein oder andere Grinsen. »Mir hat sie verboten, heute meine Lowa zu tragen, könnt ihr euch das vorstellen? Aber natürlich höre ich nicht auf sie!«
Eryne warf ihm einen verdrossenen Blick zu, aber seine Worte erschienen ihr nach kurzem Nachdenken gar nicht so abwegig. Warum sollte sie nicht besänftigend auf die anderen einwirken und für ihr Wohlergehen sorgen? Sie konnte Streitereien schlichten, ihren Gefährten Ratschläge erteilen und ihnen andere Wege aufzeigen als den direkten Kampf.
Immerhin habe ich bereits Keb und Amanon dazu gebracht, Frieden zu schließen,
dachte sie zufrieden. Endlich würde sie von Nutzen sein. Sie konnte nicht mit dem Schwert umgehen, war in ihrem Leben noch nicht viel gereist und besaß keine besondere Begabung, aber von nun an würde es ihre Aufgabe sein, die kleine Schar zusammenzuhalten.
Sie zusammenzuhalten und zur Vorsicht zu mahnen.
Niss lief zu ihrem Großvater, und Eryne lehnte sich an die Reling, um zur Insel hinüberzuspähen. Sie wagte kaum zu hoffen, dass ihre Eltern dort auf sie warteten. Allein den Gedanken, dass ihr Vater vor langer Zeit dieselbe Reise unternommen hatte, fand sie befremdlich. Es war irgendwie unvorstellbar, dass er in einer Höhle vor einer magischen Pforte gestanden haben sollte, die in die Kinderstube der Götter führte. Vom Deck der
Rubikant
aus wirkten die Felsen völlig unbedeutend. Entlang der Küste des Mittenmeers musste es unzählige solcher Inseln geben. »Hast du Angst?«
Eryne zuckte zusammen. Ihr war völlig entgangen, dass Keb zu ihr getreten war, und sie kam nicht umhin zu bemerken, dass unter seinem Pelzmantel die nackte Brust hervorblitzte. Jetzt, wo seine Gefährten seine Narben kannten, hielt er es offenbar nicht mehr für nötig, sie zu verbergen.
»Nein«, log sie. »Schließlich gehört diese Insel zum lorelischen Königreich, nicht wahr? Also bin ich hier sozusagen zu Hause.«
»Wir haben kein Zuhause mehr«, entgegnete er. »Zumindest nicht, solange dieser Dämon uns eine Meute Wahnsinniger auf den Hals hetzt, die uns mit ihren Dolchen durchbohren wollen.«
Überrascht von den harten Worten musterte Eryne ihn genauer. Seine Hände klammerten sich an die Reling, er presste die Kiefer aufeinander, und sein starrer Blick wanderte rastlos über den Strand. Die Wunde schien ihm stärker zuzusetzen, als er zugeben wollte. Was bedeutete es für ihn, einen Kampf zu verlieren? Empfand er es als Schwäche? Als Ehrverlust? Als Beweis, dass er nicht unverwundbar war, geschweige denn unsterblich?
Jedenfalls konnte er nicht länger leugnen, dass sein Schicksal und das der Erben miteinander verwoben waren. Aus dieser Einsicht heraus, aber auch, um ihn zu trösten, oder vielleicht auch einfach nur, um ihm dafür zu danken, dass er noch am Leben war, legte Eryne leicht ihre Hand auf die seine, nur für einen kurzen Moment.
Einige Schritte entfernt war Amanon gerade damit beschäftigt, das einzige Beiboot der Gabiere zu Wasser zu lassen. Seine Miene verfinsterte sich plötzlich, ohne dass Nolan und Cael verstanden, warum.
Nach einem wunderschönen Morgen gab sich die Sonne zum Mittag recht launisch. Mal verbarg sie sich hinter dichten Wolken, mal brach sie mit kraftvollen Strahlen hervor. Der Wind hatte aufgefrischt und kräuselte die blaugrauen Wellen des Mittenmeers. Als Bowbaq das schmale Beiboot bestieg, zitterte er am ganzen Körper. Sein Gewicht brachte den Kahn zum Schaukeln, und der Seegang verstärkte das Schwanken noch. Der alte Arkarier war überzeugt, jeden Moment ins Wasser zu fallen und zu ertrinken.
Amanon bereute für einen Moment, ihn schon jetzt mitgenommen zu haben. In das Beiboot passten nur fünf Passagiere, und so würden zwei Fahrten nötig sein, um alle zur Insel zu bringen. Mit der ersten Fuhre wollte Amanon die kampferprobten Gefährten hinüberschaffen, für den Fall, dass sie am Strand eine böse Überraschung erwartete. Deshalb saßen außer ihm und Bowbaq noch Nolan und Keb im Boot. Die beiden hatten die Riemen gepackt und hielten nun auf den Strand zu, die Waffen in Reichweite.
Noch
Weitere Kostenlose Bücher