Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
leichte Entscheidung gewesen, die Segel wieder aufzuziehen, aber sie hatten keine andere Wahl gehabt. Die Strömung hätte sie zu weit aufs offene Meer hinausgetrieben, in Richtung Yérim oder sogar der Unteren Königreiche, und für eine mehrtägige Seereise hatten sie nicht die richtige Ausrüstung. Außerdem lauerte Reexyyl immer noch irgendwo in den Tiefen des Mittenmeers.
Gleich nach Niss' Rettung hatten die Gefährten gesehen, wie die zweite Eskadrille Schlagseite bekam und schließlich mit dem Rumpf nach oben im Wasser trieb. Niemand zweifelte daran, dass das Ungeheuer wieder zugeschlagen hatte. Nachdem sie die
Rubikant
auf Kurs gebracht hatten, bangten sie lange, ob Reexyyl auch die Gabiere mit sich in die Fluten ziehen würde, doch die Augenblicke verstrichen und wurden zu Dekanten, ohne dass etwas geschah. Trotzdem waren sie erleichtert über Amanon's Idee. Der Stein würde an seinem Platz bleiben, bis sie die Gabiere nicht mehr brauchten – zumindest, bis sie in Goran ankamen.
Insgeheim bereute Amanon die Entscheidung, auch wenn er selbst keinen besseren Vorschlag gehabt hatte. Was blieb ihnen schon anderes übrig, als nach Goran zu fahren? Königin Chebree war die Einzige, die Sombre kannte und die außer ihnen von der Prophezeiung wusste. Außerdem hatte sie ihren Sohn auf die Suche nach Emaz Lana geschickt. Keb war überzeugt, dass seine Mutter etwas wusste, das den Erben nützlich sein konnte, aber Amanon wurde sein Misstrauen einfach nicht los. Schließlich hatten sie es mit der einstigen Hohepriesterin des Dämons zu tun.
Er hätte sich weniger Sorgen gemacht, wenn nicht so viele Fragen unbeantwortet gewesen wären. Warum hatte Chebree Keb ihr Geheimnis nicht verraten? Warum bestellte sie Lana nach Goran und nicht nach Wallos? Und Warum wartete sie auf halbem Wege, anstatt selbst nach Lorelia zu kommen?
Auf derlei Fragen antwortete Keb jedes Mal mit einem Schulterzucken. Er folgte einfach nur dem Befehl seiner Königin, ganz davon abgesehen, dass er zu Beginn seiner Reise keinen Grund gehabt hatte, sich über Chebrees Entscheidung zu wundern. Dass sie überstürzt aus Wallos aufgebrochen waren, war die einzige Auskunft, die die Gefährten ihm entlocken konnten. Und nein, er wüsste wirklich nicht, was seine Mutter bewegt haben könnte, ihre einstige Feindin zu sich zu rufen! Das behauptete er zumindest. Zwar stand Keb im Kampf entschlossen an ihrer Seite, aber ansonsten tat er, als gingen ihn die Probleme der Erben nichts an. Würde so nicht auch jemand handeln, der vorhatte, sie zu verraten? Amanon hätte ihn gern als Verbündeten, ja als Freund betrachtet, doch unter diesen Umständen war das unmöglich. Saats Sohn war viel zu verschlossen, um mehr zu sein als ein Waffenbruder. Wie um seine Gedanken zu bestätigen, lungerte Keb auch an diesem Abend allein am Heck herum, während Nolan, Eryne, Cael, Zejabel und er selbst am Bug standen und die goronischen Festungsanlagen bewunderten. Nachdem sie eine leichte Mahlzeit eingenommen und sich von den Strapazen des Kampfes erholt hatten, waren fast alle an Deck gegangen. Seit Niss aufgewacht war, saß Bowbaq mit seiner Enkelin allein in der Kombüse. Zunächst wunderten sich die anderen nicht darüber, dass er sich so lange nicht blicken ließ, denn sie hatten einander sicher eine Menge zu erzählen.
Doch allmählich wurde Amanon ungeduldig: Er wollte den Bericht des Mädchens endlich selbst hören. Schließlich hatte sie miterlebt, wie ihre Großmutter mitsamt dem Rest der Familie verschwunden war. Ihr Wissen würde ihnen gewiss weiterhelfen. So ging er immer wieder zur Luke und spitzte die Ohren, um sich zu vergewissern, dass die beiden Arkarier nicht am Tisch eingeschlafen waren. Bowbaq war doch sonst nicht so redselig.
Amanon trieb sich gerade wieder einmal in der Nähe der Luke herum, als er Eryne auf sich zukommen sah. Seit Nolans Heldentat war sie ihrem Bruder nicht von der Seite gewichen. Sie lächelte ihm zu, während sie versuchte, ein Zittern zu unterdrücken, denn es war kühl geworden. Als er seine Jacke auszog, um sie ihr über die Schulter zu legen, fiel ihm auf, wie mitgenommen das Leder war. Die Krallen des Leviathan hatten die Brustpartie zerfetzt, und beim Kampf gegen die K'lurier hatte sich ein Dolch durch den Ärmel in seinen Arm gebohrt. Er hatte noch keine Zeit gehabt, die Flecken abzuwaschen, die sein eigenes Blut hinterlassen hatte. Eryne bemerkte es zum Glück nicht, oder sie fror so erbärmlich, dass sie sich nicht daran
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