Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
mürrisch. »Im Gegensatz zu ihm. Allerdings scheint dieser Unterschied manchen unter uns nicht viel zu bedeuten.« Er biss sich auf die Lippe, als könnte er damit zurücknehmen, was er gerade ausgesprochen hatte. Es war eigentlich nicht seine Art, in Selbstmitleid zu versinken. Vielleicht war ihm der Wein doch zu Kopf gestiegen? Zum Glück war Nolan so höflich, nicht auf seine Bemerkung einzugehen.
»Hast du eine Idee, was nach Goran unser nächstes Ziel sein könnte?«, fragte er. »Eigentlich nicht. Es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen.«
»Usul?«, fragte Nolan mit forschendem Blick. Amanon konnte seine Überraschung nicht verhehlen.
Wie konnte Nolan ahnen … Aber im Grunde war es kein Wunder, dass er denselben Gedanken gehabt hatte. Oft vergaß Amanon, dass er nicht der Einzige war, der sich Sorgen um die Zukunft machte. Vermutlich hatte schon jeder von ihnen an Usul den Wissenden gedacht, denn wer hätte ihnen besser über ihre Eltern, den Erzfeind und ihre Aussichten im Kampf gegen Sombre Auskunft geben können als der Gott der Weissagungen? Es hatte nur noch niemand gewagt, es auszusprechen. »Das wäre eine Möglichkeit«, bestätigte er. »Es ist sogar die einzige Möglichkeit«, verbesserte er sich dann. »Wir haben eigentlich keine andere Wahl.«
»Von Goran ist es nicht weit nach Ith«, murmelte Nolan. »Dort fing alles an, die Dunkle Bruderschaft, das Wiederaufleben der Alten Religion … Wenn wir dorthin reisen, könnte ich …«
Amanon'sah ihm in die Augen. Darüber hatte er auch schon nachgedacht. »So weit sind wir noch nicht«, wehrte er ab. »Wir müssen noch eine Antwort auf viele Fragen finden, bevor wir uns in die Höhle des Löwen wagen können.« Nolan nickte ernst, wünschte ihm eine Gute Nacht und wandte sich ab. »Wenn du runterkommst, klopf viermal an die Tür«, sagte er noch. »Keb kennt die Abmachung. Mach dir keine allzu große Sorgen um ihn.«
Und schon war Amanon wieder allein. In einem Anfall von Ungeduld sprang er auf den Anlegesteg hinüber, durchkämmte die an den Hafen angrenzenden Straßen und steckte den Kopf in jede Schänke, die noch geöffnet hatte. Sich um den Wallatten Sorgen machen? Wozu? Der Kerl kümmerte sich ja auch nicht darum, was aus ihnen allen wurde! War ihm überhaupt klar, in welch unangenehme Lage er sie brachte, wenn er einfach verschwand? Wie sollten sie bei der Königin vorsprechen, wenn sie nicht wussten, wo ihr Sohn abgeblieben war?
Nachdem er einen halben Dekant lang vergeblich durch das Hafenviertel gestreift war, hatte er die Nase gestrichen voll. Er sollte längst da sein, wo er hingehörte: bei den anderen. Doch kaum war er zur Gabiere zurückgekehrt, stellte er zu seiner Verblüffung fest, dass Keb in seinen Pelzmantel eingewickelt an Deck schlief und dabei schnarchte wie ein Wildschwein. »Mistkerl«, murmelte er.
Wie vereinbart klopfte er viermal an der Luke und stieg dann in die Kombüse hinab, in der ihn angenehme Wärme umfing. Nolan war nicht weiter überrascht, als er ihm sagte, dass Keb immer noch unterwegs war.
Am nächsten Tag war die Stimmung an Bord der
Rubikant
alles andere als gut. Eryne ging Zejabel und Amanon aus dem Weg, Amanon war böse auf Kebree, und der ließ die anderen wie immer links liegen.
Wer nicht in seiner Ecke schmollte, versuchte sich an Deck nützlich zu machen. Bowbaq verbrachte den Großteil des Tages damit, die Schäden zu reparieren, die der Leviathan dem Schiff zugefügt hatte, und erzählte Niss währenddessen, was in den drei Jahren ihrer »Abwesenheit« geschehen war. Zejabel machte zunächst ein paar Dehnübungen, denen die anderen staunend zusahen, und versuchte dann, die auffälligen religiösen Symbole von ihrem Kahati-Gewand zu lösen. Sie war zu sehr an die Bequemlichkeit ihrer alten Kleider gewohnt, um ganz auf sie verzichten zu wollen. Nolan vertiefte sich in die Lektüre des Buchs der Weisen. Er spürte Eurydis gegenüber eine Hingabe und einen Lerneifer, wie er sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Insgeheim hoffte er, eine Stelle zu finden, die Eryne in ihrer Verwirrung und Verzweiflung helfen könnte, obwohl er das Buch eigentlich gut genug kannte, um zu wissen, dass dort nirgendwo von den Pforten ins Jal oder dem Zustand der Entsinnung die Rede war. Dennoch klammerte er sich an die Hoffnung, wenigstens auf eine kleine Andeutung oder eine Spur zu stoßen. Seine Schwester hatte sich wieder in ihrer Kajüte eingeschlossen, als könnte sie damit alles Unbekannte
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