Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
tot!«
Nolan ahnte, dass es bei diesem Streit nicht nur um die richtige Vorgehensweise gegen die Goroner ging. Hastig griff er ein, bevor der Ton noch schärfer wurde. »Wir werden Lodacre erst in zwei Dekanten erreichen«, sagte er. »Vielleicht sogar noch später, weil wir nicht besonders schnell fahren können. Wir müssen uns also nicht sofort einigen – in der Zwischenzeit kann viel passieren.«
»Ihre Pferde werden sicher irgendwann müde oder wollen in der Dunkelheit nicht mehr weiter«, mischte sich Eryne ein. »Bitte streitet Euch nicht.«
Ihre Bitte zeigte deutlich mehr Wirkung als Nolans Argument. Die beiden Streithähne beherrschten sich jedoch nur mit Mühe: Keb stapfte wutschnaubend zum Heck, und Amanon half Cael beim Aufziehen eines zusätzlichen Segels, um sich abzureagieren. Währenddessen flüsterte Niss ihrem Großvater etwas ins Ohr, und die beiden verzogen sich unter Deck. Plötzlich stand Nolan mit seiner Schwester und Zejabel allein am Bug.
Eine ganze Weile hingen sie stumm ihren Gedanken nach. Nolan kam ihre Lage beinahe unwirklich vor. Ringsum herrschte tiefste Nacht, als gäbe es auf der Welt nichts als ihr kleines Boot und seine Passagiere. Dabei tauchten immer wieder kleine Lebewesen im Wasser auf, Frösche, Fische und hin und wieder sogar Schlangen, angezogen von den unzähligen Insekten, die die Laterne umschwirrten. Am Ufer blinkten dann und wann Lichter aus nahe gelegenen Häusern auf, deren Bewohner vor Angst erzittern mussten, wenn sie zufällig aus dem Fenster sahen. In der Finsternis klang das Hufgeklapper ihrer Verfolger noch lauter, wie ein Fluch, dem sie nicht entrinnen konnten.
»Hoffentlich geben sie irgendwann auf!«, sagte Eryne verzagt. »Einen weiteren Kampf werden wir sicher nicht überstehen.«
»Keine Sorge. Sie können Euch nichts anhaben«, versicherte Zejabel ernst. »Falls sie angreifen, müsst Ihr einfach nur wieder tun, was Ihr gestern Nacht getan habt.«
Nolan sah seine Schwester neugierig an, konnte aber nicht erraten, was in ihr vorging. Dafür wurde ihm plötzlich klar, was Zejabels Verhalten zu bedeuten hatte. Warum hatte er das nicht schon früher erkannt? Seit sie wieder auf den Beinen war, wich die einstige Mörderin Eryne nicht von der Seite. An Deck blieb sie stets dicht hinter ihr, und wenn Eryne an die Reling trat, stellte sie sich neben sie. Genau wie sie es vermutlich als Kahati getan hatte, um Zuia zu beschützen und zu dienen.
Für Zejabel stand offenbar fest, dass Eryne göttlicher Herkunft war. Nolan hingegen fiel es schwer, diese Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen. Wenn er sie anblickte, sah er lediglich seine Schwester, die als kleines Mädchen ihren Rock gerafft hatte, um ihm einen Fußtritt zu versetzen, woraufhin er sie an den Haaren gezogen oder ihr Spielzeug versteckt hatte. Seine Schwester, die sich als junge Dame geweigert hatte, an einem Tag zweimal im selben Kleid aus dem Haus zu gehen. Eryne, eine Göttin? Das war schlicht unvorstellbar, vor allem für ihn als zukünftigen Priester.
Andererseits hatte sie tatsächlich einen Schwertkampf nicht nur heil überstanden, sondern ihre beiden Gegner sogar mit Leichtigkeit bezwungen. Und niemand wusste besser als Nolan, wie ungeschickt sich seine Schwester mit jeglicher Art von Werkzeug anstellte, und sei es nur ein Schürhaken. Dieser Sieg war ebenso unerklärlich wie die rätselhaften Fähigkeiten, die sie zuvor gezeigt hatte.
Während er die beiden Frauen betrachtete, die Seite an Seite schweigend in die Nacht hinaussahen, begann sich Nolan auf einmal davor zu fürchten, was sie ihm über kurz oder lang offenbaren könnten.
Bowbaq wäre lieber bei den anderen an Deck geblieben, zumal ihm jedes Mal, wenn er auf der engen Treppe den Kopf einziehen musste, der Schmerz in den Nacken fuhr. Aber er konnte Niss eben keine Bitte abschlagen. Außerdem war er so neugierig auf das, was sie ihm unbedingt erzählen wollte, dass er beim Betreten der Kombüse vergaß, sich zu ducken, und sich die Stirn am Türrahmen stieß. Das tat zwar nicht weh, aber als er zurückzuckte, spürte er den Schmerz in Schulter und Rücken. Mühsam unterdrückte er einen Fluch und setzte sich auf eine der beiden Bänke. Während er sich den Nacken massierte und prüfend die Stirn abtastete, dachte er sehnsüchtig an die betäubende Wirkung von Zejabels Elixieren zurück. Schade, dass die Zünicht noch mehr von diesen Wundermitteln besaß!
Niss setzte sich neben ihn und wartete brav, bis ihr Großvater
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