Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
schneller, als sie sich neben Cael setzte, aber er zeigte nicht die geringste Reaktion. Da sie nicht wusste, wie sie mit seinem Schweigen umgehen sollte, lehnte sie einfach den Kopf an seine Schulter, so wie sie es in der Kapelle in Goran getan hatte. Kurz darauf ließ er endlich das Schluchzen vernehmen, das er die ganze Zeit zurückgehalten hatte.
»Das arme Tier … Das arme Tier«, wimmerte er.
Niss wartete, bis er sich ausgeweint hatte, bevor sie ihn zu trösten versuchte. »Du hast nichts Böses getan«, versicherte sie. »Es konnte niemand ahnen, dass deine Gabe derart stark sein würde. Wir werden dir beibringen, wie du sie kontrollieren und maßvoll nutzen kannst.«
»Wenn ich an die Fohlen meiner Mutter denke …«, fuhr Cael fort, als hätte er sie nicht gehört. »Ich habe so viele von ihnen zur Welt kommen sehen … Und ich … ich …«
»Du hast ihm nur Angst gemacht«, beschwichtigte sie ihn. »Ziemlich große Angst, das stimmt, aber es hat sich bestimmt längst wieder beruhigt.«
»Nein, nein!«, rief er heftig. »Ich habe seinen Geist
zerstört.
Ich habe eine Bestie aus ihm gemacht, so wie ich selbst eine bin!«
Niss hätte ihn am liebsten mit einer Lüge getröstet, aber das brachte sie nicht über sich. Sie war genauso sicher wie er, dass sich das Pferd nicht mehr von dem Erlebnis erholen würde. Es hatte ganz anders reagiert, als die Erjaks es aus ihrer Erfahrung kannten. Nicht einmal Bowbaq, der schon vieles erlebt hatte, konnte sich erklären, was passiert war. Die anderen vermuteten, dass das Tier schon vorher gestört oder bösartig gewesen war, eine Anlage, die durch den Kontakt mit Caels Geist zum Ausbruch gekommen war. Niss teilte diese Ansicht nicht, hatte bislang aber dazu geschwiegen.
»Was auch passiert ist, es ist nicht deine Schuld«, sagte sie beschwörend. »Es sind nicht
deine
Gedanken gewesen, die das Pferd wild gemacht haben. Du weißt doch, was ich damit meine, oder?«
Cael antwortete nicht sofort, sondern wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Als er einige Tränen, die Niss in die Haare gekullert waren, mit einer unbeholfenen Bewegung wegzutupfen versuchte, überlief es sie heiß und kalt.
»Ich glaube schon«, sagte er dann in gefassterem Ton. »Es war meine Stimme, die … Und das, obwohl ich keinen Anfall hatte.
Er
hätte gar nicht zum Vorschein kommen dürfen.«
»Ja, aber dein und sein Geist stehen in Verbindung miteinander«, erwiderte Niss nachdenklich. »Wenn du deine Fähigkeit als Erjak nutzt, trägt er seinen Teil dazu bei, könnte ich mir vorstellen. Er hat dem Tier diese Panik eingeflößt, nicht du.«
»Vielleicht«, stimmte Cael zu. »Aber ich habe nichts gespürt. Es ging alles so schnell. Es war gruselig.«
»Womöglich wird das Pferd ab und zu wieder normal. Wenn die Stimme in seinem Kopf verstummt, so wie bei dir … Ahm, ich will damit natürlich nicht sagen, dass du unnormal bist!«, verbesserte sich Niss hastig und setzte sich aufrecht hin.
Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er sie beleidigt ansehen würde, aber er wirkte eher geistesabwesend.
Offenbar dachte er intensiv über irgendetwas nach, denn er blieb eine ganze Weile reglos sitzen und staute durch Niss hindurch, als wäre sie gar nicht da. Dann kam wieder Leben in ihn.
»So muss es auch bei mir gewesen sein«, sagte er. »Jemand ist gleich nach meiner Geburt in meinen Geist eingedrungen und hat mich damit genauso hysterisch gemacht wie ich dieses arme Pferd. Und dieser Jemand, das war Sombre.«
»Aber warum hat er das getan? Warum hat er dich nicht getötet, wenn er dich schon gefunden hatte?«
»Keine Ahnung«, gestand Cael. »Aber ich bin sicher, dass er es war. In Tante Corenns Tagebuch steht, dass ich aufgehört habe zu schreien, als meine Mutter mir den Anhänger umgebunden hat. Von da an konnte Sombre mir nichts mehr anhaben.«
Niss verschlug es die Sprache. Diese Vorstellung war noch schrecklicher als alles, was sie sich ausgemalt hatte. Cael hingegen schien es zu helfen, das Übel endlich beim Namen nennen zu können.
»Es könnte auch ein anderer Dämon gewesen sein«, sagte sie, da ihr nichts Besseres einfiel.
»Nein. Es war Sombre«, wiederholte Cael. »Irgendwie ist mir, als hätte ich es schon immer gewusst. Und meine Eltern haben es auch geahnt, da bin ich ganz sicher.«
»Aber warum hat er dir das angetan? Zum Glück konnte er seinen Plan nicht vollenden!«
Caels Blick wurde hart. Obwohl es fast dunkel war, konnte Niss sein wutverzerrtes
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