Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
als sie endlich eine Herberge ansteuerten, zumal die Holzbänke in den Wagen noch um einiges unbequemer waren als die Kojen auf der
Rubikant.
Die Gefährten wussten nichts über die früheren Besitzer der Gespanne, aber offensichtlich hatten sie nicht viel Wert auf Komfort gelegt. Die Einrichtung beschränkte sich auf das Nötigste: Vier ausklappbare Bretter an den Wänden dienten als Schlafstätte, und statt aufrichtigen Bänken saßen die Passagiere auf den Deckeln großer Truhen, die die Längsseiten des Innenraums säumten. Dazwischen war ein Tisch in den Boden geschraubt, an dem man bei schlechtem Wetter essen konnte. Alle anderen alltäglichen Tätigkeiten, insbesondere die Notdurft, mussten im Freien verrichtet werden. Die spärliche Ausstattung verringerte zwar die Last, die die Pferde zu ziehen hatten, aber Zejabel litt solche Schmerzen, dass sie bisweilen voller Sehnsucht an ihre luxuriösen Gemächer in Zuias Palast zurückdachte.
Sie teilte sich einen Wagen mit Nolan, Niss und Bowbaq, der auf dem Kutschbock Platz genommen hatte. Als sie endlich aussteigen konnte, musterte sie die Mienen der Passagiere des anderen Wagens und kam zu dem Schluss, dass die Fahrt für sie noch viel qualvoller gewesen war. Amanon hatte eine verdrossene Miene aufgesetzt, Eryne sah todmüde aus und schien kaum zu hören, was man ihr sagte, Cael brütete genauso dumpf vor sich hin wie zu Beginn der Reise, und Keb machte keinen Hehl daraus, wie froh er war, nicht mehr im Wagen eingepfercht zu sein. Zejabel konnte sich gut vorstellen, dass die beiden Männer den ganzen Weg über aufeinander herumgehackt hatten.
Wahrscheinlich hatte Amanon auch deswegen entschieden, dass sie in einer Herberge statt in den Wagen übernachten würden. Mit verspanntem Rücken und müden Gliedern, aber einem erleichterten Lächeln vertrauten sie die Pferde den Stallburschen an und traten in die wohlig warme Gaststube.
Da die Herberge recht groß war, fiel die Ankunft einer so bunt zusammengewürfelten Schar nicht weiter auf. In dem kleinen Weiler an der Straße nach Cyrla-Haute, der nördlichsten Stadt des Königreichs Lorelien, schienen Reisende unterschiedlichster Herkunft Halt zu machen, Goroner ebenso wie Arkarier und Händler aus dem Süden. Trotzdem war Zejabel froh, die religiösen Symbole auf ihrem roten Zü-Gewand entfernt zu haben. Jedes Mal, wenn sie sich in fremde Gesellschaft begaben, befürchtete sie, dass jemand mit dem Finger auf sie zeigen oder sie gar hinterrücks angreifen könnte. Sie fürchtete zwar den Kampf nicht, wollte aber den Menschen, die sie inzwischen als ihre Freunde betrachtete, nicht noch mehr Ärger bereiten.
Die Wirtin, eine füllige Goronerin, teilte ihnen die Zimmer zu. Bowbaq erklärte, dass er seine Enkelin bei sich haben wolle, während Nolan, Cael und Keb gegen Amanons Vorschlag, sich ein Zimmer zu teilen, nichts einzuwenden hatten, schließlich hatten sie es auf der
Rubikant
genauso gehalten. Ohnehin waren sie so müde, dass sie selbst im Stehen eingeschlafen wären. Eryne hingegen wurde das Vorrecht zugestanden, ein Zimmer für sich allein zu beziehen, und so kam auch Zejabel in den Genuss eines eigenen Zimmers, ohne dass sie darum gebeten hätte.
Nachdem die Erben ihr Gepäck abgestellt hatten, versammelten sie sich wieder in der Gaststube, um das lang ersehnte Abendessen zu bestellen. Amanon hatte einen etwas abseits stehenden Tisch reserviert, den er schon bei ihrer Ankunft ins Auge gefasst hatte und an dem sie nun mit knurrenden Mägen Platz nahmen. Wie wohl jeder von ihnen musste Zejabel an den Abend in dem goronischen Gasthaus denken, der mit einem Streit zwischen Keb, Amanon und Eryne geendet hatte. Sie konnte nur hoffen, dass Eryne nicht wieder wutentbrannt aus dem Saal rennen würde, wenn das leidige Thema zur Sprache kam: Zejabel wartete ungeduldig darauf, endlich über Erynes göttliche Herkunft sprechen zu können.
Die Erben hatten kaum Zeit, ein Gespräch zu beginnen, da wurde bereits das Essen serviert: riesige Teller mit in Fleischbrühe gekochtem und mit Käse überbackenem Gemüse sowie drei große Krüge des berühmten Biers aus Cyr. Zejabel fand das fremde Getränk köstlich, verzichtete aber lieber auf ein zweites Glas, als sie spürte, wie schnell es ihr zu Kopf stieg. Die anderen hingegen sprachen den Spezialitäten des Hauses reichlich zu und entspannten sich merklich. Schließlich waren sie nicht nur den goronischen Mördern entronnen, sondern hatten auch den Kampf gegen einen
Weitere Kostenlose Bücher