Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
auftauchen konnte.
»Bitte«, drängte Cael. »Du denkst doch sowieso, dass es nicht geht. Was schadet es dann, es auszuprobieren?«
Er wollte noch etwas hinzufügen, verstummte aber, als Niss ihn plötzlich durchdringend ansah. Ihm wurde klar, dass sie nachgegeben hatte und in diesem Moment versuchte, in seinen Geist einzudringen. Seine Anspannung wuchs ins Unermessliche, doch gleich darauf schlug Niss die Augen nieder und schüttelte den Kopf.
»Nichts. Es ist, als hätte ich niemanden vor mir.«
»Wie kann das sein? In Lorelia …«
»Da war ich im Tiefen Traum gefangen«, unterbrach sie ihn. »Ich weiß nicht einmal, wo sich mein eigener Geist zu diesem Zeitpunkt befand. Wahrscheinlich finden wir nie eine Erklärung dafür.«
Enttäuscht gab sich Cael geschlagen. Wenn es Niss gelungen wäre, die Gedanken seines anderen Ichs zu lesen, würden sie jetzt den Namen des Erzfeinds kennen. Also musste er seinen Körper doch der Stimme überlassen. Das war immer noch ungefährlicher, als das schützende Gwelom abzulegen, damit Niss ihre Erjak-Kraft auf ihn anwenden konnte.
Nach all den Gefahren, denen sie im Schönen Land ausgesetzt gewesen waren, dem Bangen um Caels Leben, Usuls Enthüllungen und den Rätseln, die seine Prophezeiungen ihnen aufgegeben hatten, verlebten die Erben einen vergleichsweise ruhigen Tag. Sie richteten sich endlich richtig auf der Feluke ein und verstauten ihr Gepäck und ihre Ausrüstung, die sie von den Pferdewagen an Bord gebracht hatten.
Zejabel besaß nur ein einziges Bündel mit Kleidern und bot deshalb Eryne und Niss ihre Hilfe beim Aufräumen an. Die Lorelierin wollte ihr neues Zuhause so gemütlich wie möglich herrichten, und die drei steckten immer wieder kichernd die Köpfe zusammen. Zum ersten Mal in ihrem Leben erlebte die Zü unbeschwerte Momente des Glücks, denn als Kahati hatte sie so etwas wie freundschaftliche Gefühle nicht gekannt.
Doch Freundschaft bedeutete auch, sich um andere zu sorgen.
Sie würden die Insel Zui’a erst in ein paar Tagen erreichen, und trotzdem dachte Zejabel an die drohenden Gefahren, als stünden sie unmittelbar bevor. Zu ihren Befürchtungen kam eine düstere Vorahnung. Die Erben sahen großem Unheil entgegen – diesen Gedanken wurde sie einfach nicht los.
Dass sie trotzdem niemanden auf dem Schiff zurücklassen wollte, fand sie selbst merkwürdig, aber sie hatte das Gefühl, dass es zu einer großen Katastrophe kommen würde, falls die Gefährten sich trennten. Die acht Passagiere der
Othenor II
mussten die Insel gemeinsam betreten, davon war sie aus irgendeinem Grund fest überzeugt. Zejabel hoffte nur, dass diese Entscheidung keine fatalen Folgen haben würde. Mit jedem neuen Tag wurde die Freundschaft zwischen ihr und den Erben enger, und schon bei der Vorstellung, einem von ihnen könnte etwas zustoßen, schnürte sich ihr die Kehle zu. Wenn sie das Lus’an erst einmal erreicht hätten, würde sie ihre Führerin und Beschützerin sein, und diese Bürde lastete schwer auf ihr.
Vor allem, weil sie nichts so sehr fürchtete, wie erneut Zui’a gegenüberzustehen.
Die Strafende war seit jeher untrennbar mit ihrer Existenz verbunden gewesen. Wie all die anderen Mädchen, die sie später im Wettkampf besiegt hatte, war Zejabel im Alter von zwei Jahren von ihren Eltern getrennt worden und hatte die geheime Ausbildung zur Kahati durchlaufen. Kein Tag war vergangen, an dem die Judikaturen ihr nicht Zui’as Lehre eingetrichtert hatten. Der vermeintlichen Göttin zu dienen und ihr irgendwann ihren Körper zu überlassen, sei ihr einziger Lebenszweck, hatte man ihr immer wieder vorgebetet. Und sie hatte es geglaubt - jedenfalls bis zu jenem Tag, an dem sie entdeckt hatte, wie niederträchtig und feige Zui’a war, schlimmer noch: wie verlogen. Die hehren Ideale, die ihre Priester predigten, hatten nichts mit den wahren Absichten der Dämonin zu tun.
Zejabel hoffte inständig, der Rache ihrer einstigen Gebieterin entgehen zu können. Wenn das Schicksal es jedoch anders wollte und sie der Tochter des Karu erneut begegnete, würde sie gewiss nicht so viel Glück haben wie auf Ji. Auf ihrer eigenen Insel war die Dämonin den Erben weit überlegen, und die Strafe, die Zui’a ihrer früheren Kahati auferlegen würde, entspräche der Schwere ihres Treuebruchs. Die Rachegöttin kannte keine Gnade.
Dass Usul angekündigt hatte, einer von ihnen werde die anderen verraten, bereitete der Zü hingegen kein Kopfzerbrechen. So etwas erschien ihr
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